Nichts gefühlt

■ „Prix Ars Electronica“ bot im Flut-Zelt Einblicke in computerannimierte Welten

Der futuristisch schnittige, rote Sportwagen flitzt spursicher durch ein charmantes französisches Dorf, bringt seinen Fahrer gar trockenen Fußes durch ein romantisches Binnengewässer. Dann Abblenden, Fahrer und Fahrzeug glücklich vereint im Sonnenuntergang. Ein stinknormaler Auto-Werbespot? Keineswegs, denn das wassertaugliche Sportcoupè existierte zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen lediglich im Rechner, wurde per Computerannimation in die Echt-Aufnahmen hineingerechnet.

Mittlerweile ist der vor zwei Jahren von Renault bezahlte Spot mit dem virtuellen Kraftfahrzeug ein Stück Mediengeschichte - und Mediengeschichte gab es Sonntag nacht im Flut-Zelt reichlich zu sehen. Seit Jahren werden beim „Prix Ars Electronica“, einem Linzer Medien-Kunst-Festival, die besten computeranimierten Clips prämiert.

Anders als bei der Cannes-Rolle geht es dabei nicht um Werbung; wenn diese aber zu Computerkunst wird, ist sie genauso willkommen, wie etwa die Kommerzkino-Sequenz aus „Death becomes her“, wo Meryl Steep nach einem Sturz mit um 180 Grad verdrehtem Genick durch die Gegend zetert.

Eine Auswahl dieser Clips füllte weit nach Mitternacht das Medienzelt bis unter's Dach. Fazit: dank der Computeranimation gibt es nichts mehr, was auf dem Bildschirm unmöglich ist. Lediglich der Aufwand setzt derzeit den meist allein operierenden Computerkünstlern Grenzen. Wie beim Trickfilm muß jedes einzelne Bild bearbeitet werden - 70 Fitzel pro Minute.

Ob der deutsche Eku Wend die Gedichte Ernst Jandls mit 25 plappernden Zeichentrick-Mündern bebildert und so dem Silbentumult eine optische Dimensionen hinzufügt oder der Belgier Joes Clasen bei „The Devil's Mine“ eine humorig-rasante Lorenfahrt unter Tage simuliert - immer ist Computerkunst atemberaubend schnell und spannend.

Die Welten, die aus den neuen technischen Möglichkeiten entstehen können, bieten eine fotografische Brillianz. Das unterscheidet sie vom Trickfilm. Man bedient sich aber dessen Vorzüge wie Geschwindigkeit und Humor. Und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, weil auch man etwas, was es nicht gibt, filmen kann.

Einziger Moll-Ton: „Interaktive Systeme“ hatte das Vorabinfo versprochen. Allerdings beschränkte sich die „Prix Ars Electronica“ darauf, per Film von Projekten zu berichten. Eines davon war der „Simulationsraum - Mosaik modernen Datenklänge“, in dem man per Datenhandschuh und Computerbrille eindringt. Dort werden digitalisierte, zu Computersymbolen transformierte Klänge scheinbar angefaßt und neugeordnet - Teilnehmerzahl theoretisch unbegrenzt. Der Film zeigte, wie in der wirklichen Welt eine hörbare Klanglandschaft entsteht, die sich verändert, wenn elektronische Händchen im Cyberspace Klangdateien bewegen.

Im Zelt aber gab es nur Zelluloid, und kein einziges Tönchen zum Anfassen. Und so mußten sich wegen der mangelenden Mitmachmöglichkeiten Enttäuschte darauf beschränken, jenseits aller Interaktivität wieder nur dem Nachbarn, nicht aber den Künstlern ihr Leid zu klagen.

Lars Reppesgaard