Schöner Leben
: Felidae im Viertel

■ Von Katzen im undichten Oberstübchen

Stell dir vor, du hast eine schöne Wohnung mit Balkon. Die Sonne scheint, und du holst deine Freizeitlogistik aus dem Wohnungsinneren: den bequemen Stuhl, das Buch und ein schönes Getränk. Doch dann passiert es wieder. Wie immer. Kaum hast du Platz genommen, wirst du von oben mit Reis bereiselt, als würde über dir ein chinesisches Freudenfest gefeiert.

Doch dort wohnt nur eine ältere Bremerin. Eine gestandene Frau, berühmt bei allen NachbarInnen für ihre Kampfeslust. Lieber als Menschen mag diese Dame Vögel, und diese füttert sie mit Reis. Vornehmlich dann, wenn sich jemand auf dem Balkon entspannt.

Was sie noch liebt, sind Katzen, und ich glaube, die mag sie noch mehr als die Piepmätze. Böse Zungen behaupten gar, sie mäste die Vögel nur für die Katzen. Aber so weit gehe ich nicht. Das wäre eine böse Unterstellung. Jedenfalls verbringt jene Dame den größten Teil ihres 20-Stunden-Tages im gemeinsamen Keller oder draußen. Bei jedem Wetter. Dort baut sie aus zuvor vom Sperrmüll organisierten Müllkörpern fragile Thrönchen für die Felidae. Im Hinterhof liegen unzählige Kissen auf Brettern, Decken in schiefen Plastikstühlen, ein Katzenbaum bildet den Mittelpunkt.

Auch den Vorgarten zieren diverse Ausruh- und Spielplätze aus irgendwie miteinander verschraubten Materialien. Damit die Katzen darauf anspringen und bleiben, versteckt die Dame in kurzen Zeitabständen lecker Fütterchen in der eigens gebastelten Katzenarchitektur.

Und ewig lockt das Weib! Mit Erfolg: Sämtliche herrenlose Katzen pirschen zwischen Hinterhof und Vorgarten durch unseren Keller. Ein neuer Wurf lebt im Fahrradschuppen. Im Haus beginnt es bestialisch zu stinken, denn zuweilen werden die Tiere von nichtsahnenden BewohnerInnen ebendort eingeschlossen.

Die Katzen hinterlassen rutschiges Mausegedärm und Verdautes im Endzustand, schlimmer: Die Flohtransporter legen sich auf die frischgewaschene Wäsche, die jene Dame unter dem Vorwand der Nachbarschaftshilfe aus purer Bosheit im nassen Zustand von der Leine genommen und sorgfältig gefaltet auf die Fensterbretter gelegt hat. Kürzlich bat ich sie, dies zu unterlassen. „Ich leide unter Katzenallergie“, sagte ich auf, was ich mir zuvor ausgedacht hatte. Die Dame nahm sofort Kampfhaltung ein: „Ach Sie sind das!“, giftete sie mich an und machte auf dem Absatz kehrt. Was war das denn, was um Himmels Willen konnte sie meinen? Denkt sie etwa, ich hätte diesen Katzen schon jemals ein Arg zugefügt, diesen stinkenden allgegenwärtigen Mistbiestern, die wie Hitchcocks Vögel mein Dasein bevölkern, und jetzt auch noch mein Gewissen?

Töten darf ich weder die Dame noch die Katzen, erfahre ich bei Herrn Schottke vom Stadtamt. Ich darf mich an den Katzenschutzbund wenden, der die Tiere eventuell kastriert, dann aber wieder laufen läßt. Das nützt doch nichts! Man könne es, versöhnt der gute Mann vom Stadtamt, ansonsten nur mit einer Privatklage versuchen, „aus dem Bereich Dulden und Unterlassen im BGB“. Ach Herr Schottke! Dagegen ist die Frau doch immun. Das rieselt doch an ihr vorbei wie der Reis aus ihrer Dachwohnung. Könnte man nicht besser jene Dame beim Tierschutzbund abgeben?

Dora Hartmann