■ Mit der Großen Koalition auf Du und Du
: Berliner Lähmungen

„Die große Koalition liegt wie ein Wackerstein auf der Stadt.“ Gestern hatte sich die grüne Bürgerschaftsfraktion Michaele Schreyer eingeladen. Sie war Umwelt- und Stadtentwicklungssenatorin, bis die rot-grüne Momper-Koalition platzte und vor viereinhalb Jahren von der großen Koalition abgelöst wurde. Erfahrungen einer Großstadt unter einer CDU/SPD-Regierung, die sollte der Berliner Gast vermitteln. Die Absicht war klar, so kurz vor der SPD-Abstimmung über den zukünftigen Koalitionskurs. Entsprechend war der Berliner Befund: Große Koalition heißt große politische Lähmung.

Mit großen Erwartungen der Bevölkerung sei die große Koalition 1991 gestartet. „Die Leute wollten vor allem Sicherheit“, so Michaele Schreyer. Und die schien bei einer dreiviertel-Mehrheit im Abgeordnetenhaus garantiert zu sein. Entsprechend groß sei jetzt die Ernüchterung. Schwärzer könnte die politische Bilanz einer Regierung nämlich kaum sein, wie sie Michaele Schreyer für Berlin aufmacht: Versagen auf der ganzen Linie. Mit 19 Milliarden Mark Schulden ist die Regierung 1991 angetreten, mittlerweile sind es 45 Milliarden. „Die große Koalition hatte nicht die Kraft, Sparbeschlüsse durchzusetzen. Große Koalition heißt, daß ein großes Klientel bedient werden muß.“ Und schon gar nicht habe sich bewahrheitet, was vor der Regierungsbildung behauptet worden sei: Daß mit der CDU im Boot die Bonner Gelder stärker fließen würden. Im Gegenteil. Rot-grün habe noch verhandelt, daß die Berlin-Förderung erst nach sieben Jahren auslaufen sollte, unter der großen Koalition versiegte diese Quelle schon nach drei Jahren.

Nicht besser wird die Bilanz der Wirtschaftspolitik. Trotz des Hauptstadtbooms liegt die Arbeitslosenquote bei 13 Prozent, im Westen höher als im Osten. Die Strategie, voll auf Dienstleistungen zu setzen und Produktionsbetriebe abwandern zu lassen, sei überhaupt nicht aufgegangen. Und wegen der Gewerbemieten-Explosion sei es zum Massensterben kleiner Läden gekommen. Umweltpolitik, Frauenpoltik, Schulpolitik – überall dasselbe desaströse Bild. Und die Bevölkerung habe all dem nur ohnmächtig zusehen können. Eine derart große Mehrheit führe zur Abschottung der Politik nach außen. Und eben zur politischen Phantasielosigkeit. Schreyer: „Je größer die Koalition, desto kleiner der gemeinsame Nenner.“ J.G.