: "Behutsam vorgehen"
■ Die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) kritisiert generelle Abschiebemöglichkeiten bei Vietnamesen
taz: Die Innenverwaltung hat angekündigt, Vietnamesen schon vor der Unterzeichnung des Rückführungsabkommens zwischen Bonn und Hanoi abzuschieben. Ist dies noch rechtmäßig?
Barbara John: Ich kenne das Dokument nicht, doch möglicherweise gibt es entsprechende Absprachen. Aber daß Menschen, die keine Aufenthaltserlaubnis haben, in ihre Heimatländer zurückkehren, ist doch ganz normal. Und die Einhaltung der Menschenrechte in Vietnam hängt ja nicht von der Unterzeichnung dieses Abkommens ab. Entweder sie werden eingehalten oder nicht.
Sie sehen also keinen politischen Handlungsbedarf gegen das Vorhaben der Innenverwaltung?
Nein. Vietnam muß, wie alle anderen Länder auch, Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung zurücknehmen. Aber im Einzelfall muß man behutsam vorgehen. Ich will auf jeden Fall verhindern, daß jemand mit Zwang abgeschoben wird. Was die Situation so schwierig macht, ist der undifferenzierte Umgang mit den einzelnen Gruppen. Es wird immer von den Vietnamesen insgesamt geredet. Dabei wird vergessen, daß viele Vietnamesen seit 15 Jahren in der Stadt leben und sehr friedfertig sind.
Es gibt Hinweise darauf, daß Rückkehrer in Vietnam wegen Vaterlandsverrats vor Gericht gestellt werden. Das müßte doch ein allgemeines Abschiebehindernis sein.
Ich halte solche Prozesse für sehr unwahrscheinlich. Die Hohe Flüchtlingskommissarin unterstützt die Rückkehr der Vietnamesen. Sie würde sich nicht dafür einsetzen, wenn solche Prozesse zu befürchten wären. Aber wenn diese Informationen stimmen, ist das ein Abschiebehindernis.
Prüfen Sie diese Hinweise?
Ich werde mich noch einmal an die deutsche Vertreterin des Flüchtlingskommissariats wenden und werde das prüfen lassen.
Es heißt, daß in Berlin 10.000, bundesweit 40.000 Vietnamesen von der Regelung betroffen sind. Sind diese Zahlen realistisch?
Das ist Unsinn. In Berlin sind insgesamt überhaupt nur 7.600 Vietnamesen gemeldet, da sind schon die abgelehnten Asylbewerber eingeschlossen. Wenn ich sehr hoch greife, gehe ich von etwa 1.000 Personen aus, die entweder Straftaten begangen haben oder deren Asylantrag abgelehnt wurde. Aber das ist wirklich eine Maximalzahl.
Sind Vertragsarbeiter von dieser Regelung ausgenommen?
Sie sind dann von der Abschiebung betroffen, wenn sie Straftaten begangen haben. Früher galt die Regelung, daß Strafen bis zu 90 Tagessätzen als Bagatelldelikte behandelt wurden. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Es ist also denkbar, daß Leute wegen einer Strafe von 20 Tagessätzen ausgewiesen werden. Das halte ich für falsch. Man müßte unterscheiden zwischen Leuten, die im Einzelfall kleinere Straftaten begangen haben, und solchen, die nach Deutschland gekommen sind, um Straftaten zu begehen. Diese Unterscheidung wird leider nicht getroffen. Interview: Gesa Schulz
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