■ Nachgefragt
: „Kubas Revolution ist keine Last“

Maria Rojas ist Leiterin des Zentrums für die Konvergenz der Volksbewegungen in Havanna. Die Chilenin war in ihrer Heimat in politischer Gefangenschaft und lebte anschließend 20 Jahre im Exil, teilweise auch in Deutschland. Heute abend spricht sie auf einer Veranstaltung im Lagerhaus Schildstraße zum Thema: „Zusammenwachsen statt Solidarität? – Linke und soziale Bewegungen in Lateinamerika und der Karibik in den 90ern“.

taz: Kulturarbeit in Havanna, heißt das im Moment die kubanische Gesellschaft verteidigen oder verändern?

Maria Rojas: Das ist keine einfache Frage. Erstmal: die kubanische Kultur ist schon ziemlich entwickelt. Die afrokubanische Tradition hat große Bedeutung und bleibt Teil der kubanischen Identität. Was wir machen, ist einen Raum anzubieten, diese Kultur mit der mittelamerikanischen Kultur zu verbinden. Denn in ganz Lateinamerika gibt es doch eine Suche nach Identität, nach unserer eigenen Geschichte, unseren eigenen Projekten.

Wenn früher vom Ausstrahlen kubanischer Identität auf Lateinamerika die Rede war, dann immer im Sinn revolutionärer Identität.

Ja, aber Identität ist mehr als nur politisch oder nur kulturell. Es ist dieses breite und tiefe Konzept der Anerkennung der ganzen geschichtlichen Entwicklung, mit allem, was das bedeutet. Und die kubanische Revolution ist auch ein Teil dieses Prozesses.

Aber nur ein Teil?

Nur ein Teil. Es gibt andere wichtige Komponenten für diese Entwicklung, zum Beispiel in den letzten fünf Jahren die Anerkennung der indigenen Völker. Das hat viele neue Gedanken und neue Aspekte der Entwicklung der Identität gebracht.

Gibt es nicht offentsichliche Probleme des kubanischen Sozialismus mit indianischer Tradition? Che Guevara ist von einer Indianerin verraten worden.

Wir alle haben in den letzten Jahren eine Entwicklung durchgemacht. Wir sind bewußter geworden, auch über unsere eigenen Fehler auf rassistischer Ebene. Aber ich würde dabei die kubanische Revolution nicht als Last bezeichnen. In den bolivianischen Minen waren es auch Indianer, die zur Unterstützung Che Guevaras gestreikt haben. Und Verräter gibt es überall.

Versucht das Zentrum der Volksbewegungen konkreten Einfluß auf die kubanische Gesellschaft zu nehmen?

Wir sind nur ein Sandkörnchen am großen Strand. Aber gerade jetzt, wo viele Kubaner Probleme haben, wo der Alltag sehr schwer ist und das kubanische Volk sich anstrengt, um seine Souveränität zu erhalten, spielt Kultur eine wichtige Rolle. Wir bieten dabei vor allem einen Raum zum Austausch mit anderen. In der letzten Zeit sind es viele Jüngere, die Interesse an der lateinamerikanischen Politik entwickeln. Sie wollen konkret wissen, wie Jugendliche in den armen Ländern Lateinamerikas leben.

Ist das auch ein Ersatz dafür, daß die Leute selber nicht reisen können?

Nein, es gibt doch viele Austauschprogramme – für Sportler, Wissenschaftler und Künstler. Aber unsere Aufgabe ist die Arbeit vor Ort.

Warum haben Sie sich persönlich als Ausländerin für das Leben in Havanna entschieden? Haben die harten Überlebensbedingungen auch eine positive Seite?

Ich habe meine Familie und meine Kinder in Havanna. Für mich ist es das erste Mal, daß ich so etwas wie ein Zuhause habe, nachdem ich 20 Jahre im Exil in der Welt herumgezogen bin.

Sie leben unter den gleichen Bedingungen wie die kubanische Bevölkerung?

Ja, ich bekomme meinen Lohn in kubanischen Pesos, meine Kinder gehen in die normale Schule, auch ich muß zwei Stunden warten, bis ich einen Bus bekomme. Aber trotzdem empfinde ich die kubanische Solidiarität als großen Wert. Ich fühle mich frei und bin glücklich. Fragen: Dirk Asendorpf