: Anarchistischer Elektrohandel
■ Ein Anarcho-Verleger wehrt sich gegen die Reklame eines Schein-Anarcho-Unternehmens, weil es das Copyright für das Anarcho-A verletzt habe / Karl Oscar Pauer schweigt
Ein neues Kapitel in der Geschichte des langen Marsches durch die Institutionen muß geschrieben werden. Slogans wie „Alle Macht den Kunden“, „Aufruhr im Promarkt, Kassen besetzt!“ oder aber „Seid realistisch, fordert alles!“ sind schwarz auf weiß in Werbebeilagen des „Pro Markts“ zu lesen. Haben sich linke Elemente bis in die Geschäftsleitung und Werbeabteilung eines der größten deutschen Elektromarktketten hochgearbeitet? Wenn ja, wie haben sie es geschafft, ihren Grundsätzen bei dem Weg nach oben treu zu bleiben? Gibt es eine Hoffnung auf eine sozialistische Gesellschaft inmitten des Kapitalismus?
Aber es kommt noch dicker: Das Anarcho-A mit dem Kreis (das als Zeichen im hochmodernen taz-Computersystem nicht zur Verfügung steht – eine technisch begründete, aber politisch motivierte Tatsache?) wird in der Werbebeilage mehrfach an exponierter Stelle abgedruckt. Das ruft den Berliner Verleger Bernd Kramer des Karin Kramer Verlages auf den Plan. Bernd Kramer, der aufgrund seiner fundierten anarchistischen Publikationen bundesweit von sich reden macht, schreibt an den Pro Markt: „Ich mache darauf aufmerksam, daß wir dieses ,Logo‘ von Monsieur Jean Grav, Paris, zur alleinigen Benutzung im deutschsprachigen Raum überlassen bekamen. Das A im Kreis steht für ANARCHIE und darf nur in politisch- philosophischen Zusammenhängen verwandt werden.“ Kramer beruft sich auf das Warenzeichengesetz und das Urheberrechtsgesetz. Unter der Androhung von rechtlichen Schritten fordert er den Vertreter des Pro Markts, Karl Oscar Pauer, der in der Werbeanzeige als junger, agiler Mann im Chefsessel abgebildet ist, auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Pauer schweigt. Kramer erhält daraufhin von Monika Birnbaum, der Rechtsanwältin des Pro Markts in Köln, folgende Antwort: „Ein Verstoß gegen das Warenzeichengesetz liegt schon deshalb nicht vor, weil weder das sogenannte Anarcho ,A‘ für eine bestimmte Ware als Warenzeichen eingetragen ist noch für eine solche Ware benutzt wird.“
Kramer ist seiner Meinung nach jedoch nicht nur im Besitz der Rechte für das Anarcho-A. Auch der Satz „Alle Macht den Kunden“ sei in der Werbung unberechtigterweise benutzt worden. Sein Großvater mütterlicherseits, Karl-Gustav Kramer, habe diesen Satz in seiner unverfälschten Form („Alle Macht den Räten!“) „am 19. 2. 1919, vormittags um 11 Uhr 53“ ausgesprochen, was im Staatsarchiv München, a68/Rg. K-45 registriert sei. „Daß man sich Derartiges patentieren lassen kann“, hat die Anwältin des Pro Markts „erstaunt“. Trotzdem weist sie alle Ansprüche Kramers zurück.
Bei allem beibt jedoch die Frage offen, wie eine Firma dazu kommt, mit anarchistischen Gedanken zu werben. Marin Rother, Mitarbeiter des Pro-Markt-Marketing von der Firnheimer Firma WOB, erklärt dazu: „Wir vom Pro Markt sind grundsätzlich nicht politisch. Wir suchen uns griffige Bilder und wollen bei der Werbung für den Pro Markt die Grenzen des Gewohnten und des guten Geschmacks überschreiten.“ Die Zielgruppe dieser Werbeaktion im Mai seien jedoch nicht die Alt-68er gewesen. „Unsere Zielgruppe ist ganz eindeutig definiert: Jeder.“
Ganz möchte sich die taz mit dem Ergebnis dieses pseudolinken Betriebes doch nicht zufriedengeben. Bei einem Anruf in der Kölner Zentrale des Pro Markts verlangen wir Karl Oscar Pauer. Aber wir werden erneut enttäuscht. „Der existiert doch nicht“, sagt die Dame an der Telefonzentrale, „Herr Pauer ist doch nur eine Werbefigur.“ Das war irgendwie zu erwarten. Das anarchistische Unternehmen ist eben keines. Ina Rust
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen