Embrica Marcel im Streit

■ Schlägerei auf dem Asylschiff / Flüchtlinge bezichtigen Kapitän der Provokation

Schwere Vorwürfe erhoben gestern Bewohner und Vertreter des Flüchtlingskomitees der Embrica Marcel gegen den Kapitän des Asylschiffes: Er soll, verliehen sie ihrer Vermutung bei der gestrigen Pressekonferenz mehrfach Nachdruck, von dem Plan gewußt haben, demzufolge am 1. Juni eine Gruppe von Kosovo-Albanern einen Togoer zusammenschlug.

An jenem Donnerstag kam es in der Warteschlange des Speisesaals zu einem Streit zwischen dem Togoer A. und einem Albaner, der sich, so ein Augenzeuge, in der Warteschlange des Speiseraumes vordrängen wollte. Die Auseinandersetzung habe zunächst geschlichtet werden können, der Albaner verließ den Saal. Als jedoch A. nach dem Essen ebenfalls hinausging, wurde er auf dem Flur angegriffen. Etwa 20 Kososvo-Albaner sollen auf ihn eingeprügelt haben, bevor er bewußtlos zusammenbrach. Vom umstehenden Schiffsspersonal habe ihm niemand geholfen, sagen die Augenzeugen. Das Personal habe schließlich den Notarztwagen gerufen, sich aber geweigert, über die Rezeption die Polizei zu alarmieren. Die sei erst durch ein Telefonat der Flüchtlinge benachrichtigt worden.

„Dabei wird bei jeder Kleinigkeit die Polizei gerufen, solange es nicht gegen die Kosovoalbaner geht“, beschwerten sich gestern die Flüchtlinge aus Togo, Nigeria und der Türkei. Es gebe etliche Zeichen für eine „Ungleichbehandlung“, die der Kapitän auf dem Schiff praktiziere. Er bevorzuge die Kosovoalbaner, seitdem diese schon am vierten Tag den Hungerstreik abgebrochen hatten. Diese Gruppe schare er um sich, um mit ihrer Hilfe nach dem Streik eine „Vendetta-Praxis“ gegen das Komitee zu betreiben. Er versuche, das multinational besetzte Komitee zu spalten, um „seine Macht zu zeigen“ und zu demonstrieren, „wer der Herr auf dem Schiff ist“. Als ein Indiz dafür, daß der Kapitän im Vorfeld von dem Angriff auf den Togoer gewußt habe, werten die Flüchtlinge unter anderem die Gespräche, die der auf dem Schiff lebende Kapitänssohn direkt vor dem Vorfall mit dem Haupttäter und nach dem Angriff mit der Gruppe der Kosovo-Albaner führte. Die Flüchtlinge verlangten gestern von der Sozialbehörde, Druck auf den Kapitän auszuüben, der trotz mehrfacher Anfragen jedes Gespräch mit dem Komitee verweigere.

„Nach dem Vorfall ist nicht ein Mitglied des Komitees an uns herangetreten,“ sagt demgegenüber Karlheinz Reichwald, Mitarbeiter des Sozialdienstes auf dem Schiff und Vertreter des Kapitäns. „Wir sind immer ansprechbar gewesen.“ Auch habe sich der Vorfall in mehreren Details anders abgespielt als von den Flüchtlingen dargestellt. So seien Krankenwagen und Polizei sofort vom Sozialdienst benachrichtigt worden. „Vielleicht haben die Flüchtlinge ja parallel angerufen“, räumt er ein. Daß der Kapitän im Vorfeld von dem Angriff etwas gewußt haben könnte, ist für Reichwald allerdings „eine gemeine Unterstellung, eine Lüge“. Der Kapitän unterhalte ebensolche Kontakte zu den Kosovo-Albanern wie zu allen anderen Nationalitäten.

Reichwald vermutet, die Flüchtlinge wollten aus politischen Gründen „das Schiff so darstellen, als könnte man nicht darauf leben.“ Dabei habe es monatelang keine Gewalttätigkeiten auf dem Schiff gegeben. „Es gibt hier keine dauernden Hakeleien, sondern nur ein dauerndes Interesse der Öffentlichkeit“, die jeden Vorfall für eine Kritik an der Einrichtung Asylschiff instrumentalisiere.

Von den drei Kosovo-Albanern, die die Polizei am 1.6. verhaftete, sind zwei wieder auf das Schiff zurückgekehrt. Der Haupttäter wurde anderweitig untergebracht. Auch der Togoer, der anfänglich in Lebensgefahr schwebte, aber trotz seiner Gehirnerschütterung voraussichtlich heute aus dem Krankenhaus entlassen wird und unter keinen Umständen zurück aufs Schiff will, soll, verspricht Reichwald, baldmöglichst woanders unterkommen. Ob damit Ruhe auf dem Schiff einkehrt, bleibt fraglich. dah