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Durchs DröhnlandWozu dies Graben, Bewahren und Gebaren?

■ Die besten und schlechtesten, wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Es soll also Leute geben, die einen Musiker namens J. Mascis nicht kennen, die herumrätseln und erst bei der Nennung „Dinosaur jr.“ mit den Ohren so richtig schlackern. Das erstaunt, da die Band Dinosaur jr. doch eigentlich nur aus J. Mascis besteht, seit er den aufmüpfigen, einzig gleichwertigen Mitstreiter Barlow (jetzt Sebadoh) mit echten Fußtritten aus der Band beförderte und man sich sowieso darüber wunderte, daß Mascis mit seinen letzten beiden, sehr, sehr abgehangenen Alben unter altem Namen weitermachte.

Wer jetzt immer noch nicht versteht, dem ist der Mann vielleicht in dem Film „Gas Food Lodging“ aufgefallen, wo er einen fahrenden Steinverkäufer indianischer Abstammung spielte – und natürlich auch ein paar zirpende Gitarrenklänge zum Soundtrack beisteuerte; oder als klöppelnder „Sweet Dick“ der New Yorker Art-Combo Velvet Monkeys, oder, was ihm erst kürzlich viel Applaus eintrug, als Santana-naher Gitarrenwichser auf Mike Watts „Tugboat“, auf dem er zwölfminütig das Clintonsche „Maggot Brain“ intonierte. Alt werden wir alle, manche schon fix in jungen Jahren, und so ist es nur logisch, daß J. Mascis endlich auch unplugged-infiziert, seinen Neigungen nachgehen möchte.

Heute, 21 Uhr, Huxley's jr., Hasenheide 108-114, Neukölln.

Was vor zwei Jahren mal als lockeres Straßen- und Begegnungsfest begann, wird mittlerweile in einem immer größeren konzert- und eventmäßigen Rahmen abgehalten: das Spreewaldplatzfest. So darf man sich nun dieses Wochenende gleich zwei Tage lang an einem Haufen Bands erfreuen, wobei die Berliner Gruppen teil semiprominent sind – u.a. Jingo de Lunch, Loup Garou, Candidates – teils weniger wie Straightline, Lonie Tunes oder Barflies.

Als jeweilige Headliner hat man sich zwei neuseeländische Bands engagiert, die (leider) mit dem liebgewonnenen Kiwi-Pop nichts gemein haben: Shihead als mehr oder weniger an Killing Joke geschulte Industrie- und Sound-Arbeiter, und Head Like A Hole, denen weder Strukturen noch Songwriting heilig sind und die all das zusammenbasteln, was einst als Death-, Trash- und Funk am Wegesrand verstreut sein Plätzchen gefunden hat.

Am 10. und 11.6. ab 11 Uhr, Spreewaldplatz, Kreuzberg.

Sicherlich deutscher Abstammung sind die beiden Brüder Peter und Franz Stahl, deren originärer musikalischer Dunstkreis jedoch die Szene im Nordwesten der USA ist. Dort spielten sie bis Ende der Achtziger bei Scream, einer nur mäßig bekannten Dischord-Band. Jetzt schimpfen sie ihre neueste Band Wool, und die wird einem von der Plattenfirma als „Punkrock“ verscherbelt, was sich beim Hören ihres Albums „Box Set“ allerdings schnell als momentan sicherste, bestverkäuflichste Marketingstrategie entpuppt. Außer daß das Band-Line- up das übliche ist und ja Rock'n'Roll seit ewig auch Punkrock bedeutet, spielen Wool einen nur bedingt schnellen, manchmal zähen, oft jedoch sehr melodiösen Gitarren-Rock, der sich vielschichtig nennen darf, oder „einfallsreich“, bestimmt aber ein Stadionrund kongenial ausfüllen könnte: Hall, Weite und Breite heißt das, nicht zu vergleichen mit – seufz – den ebenfalls Stadien füllenden Green Day oder Hosen, eher mit Bands wie Jane's Addiction.

Am 11.6., 22 Uhr, Huxley's jr.

Als Jäger und Sammler könnte man Cordelia's Dad bezeichnen: Beständig ist diese Band aus Hoboken auf der Suche nach verschollenen Traditionals von Bahnern, Bänkelsängern und Kohlenarbeitern aus dem angelsächsischen Raum. Wo sie auf ihren ersten Alben den gefundenen Liedern zum Teil noch ein, nun ja, modernes, (punk-)rockistisches Gewand gaben, will heißen, Elektrifizierung, sind sie auf ihrem neuesten Album „Comet“ dazu übergegangen, die Traditionals ganz für sich wirken zu lassen und nur dezent und original zu instrumentieren. Durch die monotone Leierstimme von Sänger Tim Erichsen darf man sich manchmal in andere Welten versetzt fühlen, nach längerem Eingewöhnen fragt man sich aber, wofür dies Graben, Bewahren und Gebaren eigentlich gut sein soll. Live wird der Gig ebenfalls aufgeteilt, und der gewöhnliche Rock-Part erfrischt dann plötzlich ungemein.

Vorher präsentieren die Berliner Beat Godivas ihre gesammelten Songs. Deren Lieblingsmusik ist mehr bei Leuten wie Grant Hart, den Go Betweens oder Big Dipper angesiedelt, wobei sie diesen Helden ziemlich gut in die Songbücher geschaut haben. So perfekt und angenehm bringen die Beat Godivas ihre Songs rüber, daß man meinen könnte, man befinde sich mittenmang in der Zeit um 1987-89, als gute Melodien noch wie reife Früchte von den Bäumen fielen.

Am 14.6., 21 Uhr, Huxley's jr.

Neulich versuchte ich, jemand zu erklären, was die Revolutionary Dub Warriors für eine Musik machen würden, und als erstes fiel mir „On-U-Sound“ ein. Das ist naheliegend, da On-U nun auch der Name des Labels ist, bei dem diese Formation erscheint und produziert wird, doch nicht nur das: On-U ist Musikanschauung, ein ganz eigenes Universum, gemastert, gemixt und ausgesteuert von Oberguru Adrian Sherwood, der am heimischen Mischpult im Vorstadthäuschen insbesondere Roots-Reggae mit tausend elektronischen Dub-, House- und Industrial-Stippern ausstattet und ihn damit neu qualifiziert für die Tanzböden dieser Welt. Bei den Dub Warriors klingt denn auch alles wie Dub-Dub-da-Dub, und von Reggae bleibt eigentlich nur noch die äußere Form, die endlos durch den Heimcomputer gejagt wird. Ist trotzdem ziemlich klasse, so daß das heurige Gastspiel sicher der geeignete Einstieg ist für in dieser Hinsicht Unwissende und Unbefleckte.

Am 15.6., 21 Uhr, Knaack Club, Greifswalder Straße 226, Prenzlauer Berg. Gerrit Bartels

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