■ Vorgespult: Tandem
Becketts Hörspiel „Words and Music“, 22.05 Uhr, BR2
Schon in der ersten Spielminute: Erleichterung! Becketts Ton ist getroffen, irischer Witz und philosophische Schärfe sind da. Hier wird uns kein graues Endzeit-Hörstück gespielt, auch wenn gleich zu Anfang die Reizworte fallen: „dunkle Haft“ und „warten“. Im (Radio-)Dunkel ihres Dirigenten harrend, laufen Worte (Joe) und Musik (Bob) sich warm. Das Cello brummt selbstgenügsam, wird aber gestört von einer Stimme, die deklamierend ihre Ausdrucksregister durchspielt.
Otto Sander (als Joe) kennt die Nuancen der Beckettschen Stimmungspartitur. Mitreißend verkörpert er diesen einzigartigen Spagat zwischen Ernst und Ironie, zwischen Sagen und Nichtsagen.
Joe spricht nicht nur, er ist die Parodie menschlicher Denkanstrengung. Bob ist verspielter, lockerer und stimmt sich einfach ein. Dann endlich kommt von weit her hastiges Schlurfen. Fast unmerklich lauter werdend, tritt Meister Krak auf – von Peter Fitz, dem anderen Beckett-Veteranen, gegeben. Er ist der alte, visionäre Prospero, dem zum Träumen zwar nicht der Stoff, wohl aber die Ausdrucksmittel fehlen. Doch Glück hat er! Denn er ist hier der Herr im Dunkel und kann die beiden „Treuen“, wie er sagt, zum Klingen bringen. Mit seinem Stöckchenschlag gibt Krak nicht nur das Startsignal, er rhythmisiert auch die Performance. Und während seine Künste zum Thema (Trägheit, Liebe, Alter) wetteifernd improvisieren, läßt Beckett, der Skeptiker, die Sprache scheitern. Kein Wunder: Alle Worte haben doppelte Böden und prahlen mit Stil und Klischees. So ist dieses Hörspiel ein Diskurs über die Dichtung und ihr zwangsläufiges Scheitern, über den Sieg nichtsprachlicher Kunst und über das kritisch-schöpferische Hören. Da der Part des Bob keine feste Partitur besitzt, ist das von Beckett so genannte „word-music tandem“ bei jeder neuen Produktion wieder spannend. Stefan Hardt sammelte für die BR-Version aus Becketts eigenem Werk die passenden Töne: Bob ist eine Bearbeitung von Schuberts „Nacht und Träume“, einem Lied, das auch in Becketts gleichnamigem Fernsehfilm den Ton abgab.Gaby Hartel
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