Und wohin mit dem Schutt?

■ Eine Metamorphose: Aus Bremens Abrißhäusern wird Straßenschotter

Ist Abriß angesagt, oder Renovierung? Ganz einfach, sagen Sie: Container bestellt und allen Abfall, schwupps, rein? Tun Sie's nicht. Der Bremer Gesetzgeber verbietet es. Per Abfallortsgesetz. Das besagt, daß der unterschiedliche Baustellenabfall säuberlich getrennt werden muß, möglichst schon an der Abrißstelle: Plastik hierhin, Stein und anderer mineralischer Schutt dorthin. Holz auf einen dritten Haufen. Dafür sind Transporteure und Abreißer verantwortlich. Aber wohin kommt der Dreck dann?

Recyclinganlage heißt das Ziel der Ladung – von Schutt und reinem Bodenaushub mal abgesehen. Sowas darf sogar in Sandgruben im Umland verfüllt werden. Nur der restliche Dreck, potentieller Wertstoff, der bleibt in Bremen – und niedersächsische Recycler außen vor. Meyer & Schreiber, mit ihrer Recyclinganlage in Kastendiek beispielsweise. Doch das Gesetz will es so, wenn auch ökologische Überzeugung nicht dahinter steckt. Mit Verursacherprinzip hat das nämlich nichts zu tun. Diese Entscheidung hat vielmehr einen ökonomischem Grund mit Lokalkolorit. Sie ergibt sich aus der bremischen Geschichte des Baustellen-Recyclings und aus sinkendendem Bauabfallaufkommen.

Die Geschichte: Die Vaterschaft des Bauabfall-Recyclings beanspruchen die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) seit 1988, damals noch eine Behörde namens „Amt für Abfallwirtschaft“. Geboren wurde die Idee aus der Not in der Zeit des Mülldumpings, als günstige Deponiepreise den Bremer Müllberg in die Höhe puschten. 580.000 Tonnen seiner jährlichen Zunahme gingen allein auf das Konto „Baustellenabfälle“, Erdaushub inklusive. Da zog die Bremer Behörde die Preisbremse und entwarf ein neues Recyclingkonzept. Als dessen Ergebnis sind heute zwei Bremer Recyclinganlagen Pflichtabnehmer für Baustellenabfälle: die „Bremer Baustellen Recycling“ (BBR) im alten Ölhafen und die „Recyclinganlage Bremen“ (RAB) auf dem Gelände der Blocklanddeponie.

Zuvor kam die Versuchsphase. Die „Bremer Baustellen Recycling“ Gesellschaft (BBR), ein Firmenzusammenschluß, begann, Materialien aus Abbruchhäusern zu sortieren. Das ist bis heute ein Großprojekt: unter zwei riesigen überdachten Hallen ordnen Bagger die Ladung grob vor. Styropor, Dachpappe oder gelacktes Holz beispielsweise , gehen zur Deponie oder werden im Kraftwerk verbrannt. Der Rest kommt aufs Fließband und rattert in die Wiederverwertung. 30 Männerhände sortieren Irrläufer aus, Plastik etwa, das nicht in die Berge von zermalmtem Schutt gelangen darf, weil das Endprodukt „Schüttgut“, die Unterfütterung für den Straßenbau, sonst an Qualität verliert. Das wäre verheerend, denn der Absatz dieser Bauschuttgemische aus Fliesen, Mörtel und Stein läuft eh schlecht. „Ich bin schon froh, wenn die Tonne sechs Mark bringt“, sagt Hans Schipper, der Geschäftsführer der RWB. Das wird noch Jahre so bleiben: Erst jetzt laufen Forschungsvorhaben an, die neue Lösungen für alte Absatzprobleme bringen sollen.

Eine weitere Erscheinung macht den Recyclingfirmen Kummer – und nicht nur ihnen: Die Bauabfallmenge sinkt. Statt der prognostizierten 110.000 Tonnen Baustellenabfall, fallen jährlich nur 80.000 Tonnen an – das ist der Grund, warum überhaupt nur Bremer Anlagen den Bremer Dreck recyceln dürfen: Ihr Betrieb soll wenigstens abgesichert sein.

Warum der Bauabfall aber weniger wird – das weiß offiziell niemand. Selbst der BEB-Fachmann Peter Schriefer spricht nur vorsichtig von „wundersamem Sinken der Menge“. Wie viele andere zweifelt er an einem tatsächlichen Schrumpfaufkommen. Aber für die böse Vermutung, daß Abfälle un-sachgemäß abgefahren werden, gibt es keine Beweise. Die Kontrolleure der Behörden gehen schließlich um vier Uhr nach Hause.

Erfolg kann das Recycling trotzdem verbuchen: 70 Prozent der früher deponierten Bauabfälle können zurück in den Wertstoffkreislauf gehen, nur ein Fünftel des durchschnittlichen Abbruchhauses landet heute noch auf der Deponie. Die übrigen fünf Prozent werden verbrannt – und anders hat es niemand erwartet. „100 Prozent Wiederverwertung sind unmöglich“, sagt Adolf Pösel vom Umweltressort. Denn fein vermischter Dreck, PVC-Stücke, Dachpappe, Plastikfolie und Holzstücke beispielsweise, lohnten den Trennaufwand nicht. ede