■ Nachgefragt
: „Politisches Laientum“

Reinhard Barsuhn (52) war 24 Jahre SPD-Mitglied, gehörte vier Legislaturperioden lang der Bürgerschaftsfraktion an, sieben Jahre davon im Fraktionsvorstand. Für die neue Bürgerschaftsliste hatte er nicht wieder kandidiert..

taz: Warum sind Sie aus der SPD ausgetreten?

Reinhard Barsuhn: Weil ich für die nächste überschaubare Zeit nicht glaube, daß die SPD inhaltlich und personell in der Lage ist, die Aufgaben, die jetzt anstehen, zu lösen. Und ich sehe nicht, wie sie die Wähler wieder ansprechen will, die sie braucht.

Es gäbe doch auch die Möglichkeit zu sagen: Jetzt muß ich gerade dabeibleiben, damit sich die Partei ändert.

Das ist richtig. Das habe ich auch in den vergangenen Jahren getan, aber ohne Erfolg. Eine Partei, die den Willen zur Lebensfähigkeit hat, muß sich eine Mehrheit suchen. Das heißt, sie muß sich auf die Mitte zubewegen. Sie kann nicht nur davon leben, daß sie alle möglichen Randgruppen anspricht. Sie kann auch nicht davon leben, daß sie ideologisch noch grüner ist, als die Grünen.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich will nicht der autogerechten Stadt das Wort reden. Aber die Vorstellung, daß man zum Beispiel ohne einen Ausbau der Neuenlander Straße auskommen würde, ist unhaltbar. Mit diesen Fragen gehen die Grünen inzwischen oft pragmatischer um als die SPD.

Und daran konnten Sie auch als verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion nichts ändern?

Wir haben in einer ganzen Legislaturperiode noch nicht einmal die Übergangsmaßnahmen für die Neuenlander Straße hingekriegt.

Warum sind Sie dann erst jetzt aus der SPD ausgetreten?

Wenn man so viele Jahre von der Wichtigkeit der SPD überzeugt gewesen ist, dann ist es ein sehr schwieriger und langwieriger Prozeß, sich davon zu lösen. Das ist wie bei einer verkorksten Partnerschaft und tut wahnsinnig weh.

Gehörten Sie vor zwei Jahren schon zu denjenigen Genossen, die mit der CDU für das Mißtrauensvotum gegen Ralf Fücks gestimmt haben?

Wenn das so gewesen wäre, hätte ich es offen gesagt. Daß ich damals als Heckenschütze bezeichnet wurde, hat mir verdammt weh getan.

Jetzt wird Ihre Stimme bei der Mitgliederbefragung über Koalition und Spitzenkandidat fehlen...

Das Verfahren ist sowieso nicht in Ordnung. Es ist doch politisches Laientum, wenn der Vorstand ohne Vorgabe in eine solche Abstimmung geht. Vier Wochen nach der Wahl hat in der größten Partei im Land Bremen noch immer kein Parteitag stattgefunden. Daraus kann man doch schließen, daß sie den Willen zu leben kaum noch hat.

Ein Vorstand ist doch kein Sekretariat, das die Gummierung von Briefumschläge feucht macht. Der Vorstand hat die Aufgabe zu führen. Und wenn er falsch führt, muß er daraus die Konsequenzen ziehen.

Suchen Sie jetzt eine neue politische Heimat?

Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich es selbst noch nicht weiß. Erstmal werde ich mich zurückziehen. Ase