„Der Bagger ist in Stuckenborstel“

■ Warum auf den Baustellen des Landessportbundes das Material fehlte / Skandal um Privatgeschäfte des Projektleiters Jakubowski weitet sich aus / Aussagen weiterer Arbeiter

Helle Aufregung beim Bremer Landessportbund. Die taz hatte am Donnerstag die Vorwürfe eines Mitarbeiters aus der Tischlerei des LSB-Bauprojektes gegen den Projektleiter Siegfried Jakubowski veröffentlich, und seitdem haben sich vier weitere Mitarbeiter gemeldet, die einen Großteil der Vorwürfe bestätigen, und neue, nicht weniger unglaubliche, hinzufügen.

Alle Zeugen bleiben namenlos, sie müssen namenlos bleiben – noch. Denn bei den Bautrupps des LSB herrscht vor allem eines: Angst. Angst vor den Konsequenzen für sie selbst, wenn die geleistete Schwarzarbeit untersucht wird. Angst, daß die eigene ABM-Stelle oder die Stelle im landesfinanzierten Programm für Langzeitarbeitslose nicht verlängert wird. Angst, das gesamte Bauprojekt käme mit der Affäre Jakubowski unter die Räder. „Als der Senator für Arbeit im Februar nachgefragt hat, was an den Vorwürfen von Tischler Ludewig dran ist, da haben sie gedroht: Wenn jetzt einer was sagt, dann sind 50-60 Arbeitsplätze gefährdet.“ Eine Drohung mit Folgen. Die komplette Führungscrew des Bauprojekts unterschrieb einen Brief an Arbeitsstaatsrat Arnold Knigge. An den Vorwürfen sei rein gar nichts dran. Eine bewußte Lüge, sagt Arbeiter D., eine Lüge aus Angst. Am meisten Angst aber haben die MitarbeiterInnen, daß der Chef bleibt, Angst vor Siegfried Jakubowski. „Wenn der am Montag meinen Namen in der Zeitung liest, dann macht der mich fertig, wie er früher schon Leute fertig gemacht hat“, sagt D. „Jakubowski hat so mächtige Freunde, bislang hat dem keiner was anhaben können.“ Aber wenigstens einige fassen heute schon Mut, gebremsten zwar, aber immerhin: „Wenn der Staatsanwalt mich fragt, dann packe ich aus.“ Gegenüber der taz haben sie schon ausgepackt, die Namen sind der Redaktion bekannt.

Im November letzten Jahres war Gottfried Ludewig, ein Mitarbeiter der LSB-Tischlerei, vom Dach eines Hauses in Stuckenborstel gefallen und hatte sich dabei schwer verletzt. Hausherr ist Siegfried Jakubowski, Leiter des LSB-Bauprojekts. Ludewig hatte ausgesagt, daß er und andere während der regulären Arbeitszeit an Jakubowskis Neubau gewerkelt hätten. Nur hatte diese Aussage keinerlei Wirkung. Nachforschungen des Arbeitsamtes und des Arbeitssenators waren im Sande verlaufen.

Nun haben sich Kollegen des Tischlers gemeldet, die dessen Version weitgehend bestätigen. Das Skandalpuzzle bekommt neue Steine. „Klar, da haben ständig Leute gearbeitet“, bestätigen alle Zeugen unisono. Ein Arbeiter, nennen wir ihn A.: Er hat Ende letzten Jahres über Wochen immer mal wieder auf Jakubowskis Baustelle geschuftet, und nicht nur bei Jakubowski. Der baute nämlich zusammen mit seiner Schwägerin ein Doppelhaus. Und weil man am besten alles in einem Rutsch baut, hat A. die andere Doppelhaushälfte gleich mitbeackert. Die Schwarzarbeiter zu kriegen, war für Jakubowski auch die leichteste aller Übungen. „Ganz einfach“, sagt A. „Mir hat er die Verlängerung meiner ABM-Stelle versprochen. Und ein paar Mark hat er mir auch gegeben. Die hab ich ja auch gebraucht, so viel verdient man da nicht.“

,Da', das war eine der drei LSB-Baustellen. „Nachmittags um vier ist der Jakubowski auf die Baustelle gekommen und hat gesagt: Ich brauch Dich morgen bei mir. Nimmste Urlaub oder bist eben krank.“ Und manchmal habe Jakubowski eben auch Sonderurlaub gegeben. So kam es zu Fällen, in denen Arbeiter mehr Urlaub bekamen, als ihnen eigentlich zustand. Den haben sie auf Jakubowskis Bau verarbeitet. „Eine Hand wäscht die andere“, hat er gesagt. Dann ging es ab nach Stuckenborstel. Das hieß unter den Bauarbeitern bald nur noch ,Italien–. Einer der Maurerpoliere hatte sich nämlich in den Urlaub verabschiedet. Er fahre nach Italien, hatte er gesagt. Er war tatsächlich in Italien, aber nur ein paar Tage, kurz darauf aber auf Jakubowskis Bau. A: „Der hat nur die Fachkräfte genommen.“

,Da', auf den LSB-Baustellen, fehlten dann die Leute. Und nicht nur die. Ein ganzer LSB-Maschinenpark stand über Monate in Stuckenborstel. Die waren ordentlich ausgeliehen worden, schließlich bauten in der Nachbarschaft auch noch ein LSB-Maurerpolier und der LSB-Architekt. Nur fehlten die Maschinen dann auf den regulären LSB-Baustellen. Zum Beispiel ein kleiner Bagger. A: „Auf der Baustelle beim Habenhauser Fußballverein haben die Arbeiter einen Graben per Hand ausgehoben, und das in der glühenden Hitze. Der Bagger war ja bei Jakubowski.“ Da irrt der Mann – ein bißchen. Denn der Bagger war nicht allein bei Jakubowski. Das Gerät ist aus Steuern finanziert, was den Projektechef nicht daran hinderte, den Bagger durch halb Stuckenborstel tuckern zu lassen. Mal hatte ihn Jakubowskis Schwager, dann der Bruder des Schwagers, dann ein Freund Jakubowskis, dann der frühere Besitzer des Grundstückes, auf dem Jakubowski baute.

,Da', auf den regulären LSB-Baustellen, fehlten allerdings nicht nur die Männer und die Maschinen. Ab und an, um das Maß vollzumachen, fehlte auch Material. Und fand sich wo? In Stuckenborstel. Arbeiter B: „Ich habe selbst gesehen, wie bei der Baustelle vom Habenhauser FV dreimal Steine aufgeladen worden sind.“ Wo die genau hinkamen, das wußte B nicht. Aber dafür kann A. ein paar Hinweise geben: „Aus Habenhausen ist massenhaft Material nach Stuckenborstel abgefahren worden: Steine, Rohre, Elektromaterial, Fliesen. Das war angeblich über.“ Später habe sich dann ein Polier beschwert, daß zu wenig Fliesen auf der Baustelle seien. A: „Da hab ich gesagt, der braucht sich nicht zu wundern. Jakubowskis Bad ist voll von Habenhausener Fliesen. Die habe ich selbst dort gesehen, und anderes Material auch. Rohre zum Beispiel.“ Jochen Grabler