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■ Fünf mal drei immer samstags um sechs - das 5. Festival JazzAcrossTheBorder im Haus der Kulturen der Welt will die "Heterogenität der Szene" präsentieren

Nach einigem Gezitter zu Beginn dieses Jahres ist das Haus der Kulturen der Welt jetzt zumindest bis Ende 1995 gesichert. Zu einem Festival an diesem finanzkrisengebeutelten Ort paßt ein integrativ klingender Titel natürlich besonders gut. Waren bei den vier Vorgängern von „JazzAcrossTheBorder“ jeweils Instrumentalschwerpunkte der Aufhänger, heißt es im fünften Across-Festivaljahr schlicht „Brückenschläge“.

Das soll wohl nicht nur thematische Offenheit suggerieren, sondern wahrscheinlich auch andeuten, daß man heuer ganz entschieden bemüht ist, das Publikum zu mobilisieren, das im letzten Sommer öfter ausblieb. Aber wie die Brücke zum Publikum schlagen? Das müssen sich in den letzten Jahren ja alle Berliner Jazzveranstalter fragen. Ein Ergebnis der hausinternen Auswertung der Publikumsbefragung und -beobachtung vom JazzAcross-Vorjahr ist offenbar die Verlagerung des Festivaltages von Freitag auf Samstag.

An fünf Samstagen also will man diesmal mit je drei Bands vor allem die „Heterogenität der Szene“ präsentieren und so die „Kernenergie des 90er-Jahre- Jazz“ bündeln, preist der künstlerische Leiter Günther Huesmann seine diesjährige Konzeption. In Paris etwa will Huesmann eine der „interessantesten europäischen Formationen des letzten Jahrzehnts“ entdeckt haben: das „L'Orchestre de Contrebasses“ (10.6.). Sechs Kontrabassisten aus dem Schwarzfrackmilieu mit Crossoversounds zwischen Blues und zeitgenössischer Konzertmusik.

Ebenfalls aus Paris kommt der „große alte Mann der Baßklarinette“, Michel Portal, mit einem Youngster-Quartett (1.7.). Aus Pariser Richtung kommt auch der bosnische Pianist mit serbischem Paß, Bojan Zulfikarpasic, zu seinem Berliner Debütkonzert angereist; mit einem Klangmix aus Heimat- und Staatskultur (24.6.).

Als Festivalopener ist der legendäre Schlagzeuger des Art Ensemble Of Chicago, Don Moye, mit seinem sechzehnhändigen Sun Percussion Summit annonciert (10.6.) – übrigens die einzige Tourband des Festivals, wie Huesmann stolz betont, denn JazzAcrossTheBorder sei eben kein „Förderbandprogramm für Tourbands“. Ein Höhepunkt verspricht das Berliner Workshop-Projekt des amerikanischen Schlagzeugers und Komponisten Bob Moses zu werden (17.6.), der auf Wunsch von neun Berliner Musikern zu JazzAcrossTheBorder eingeladen wurde, um mit ihnen in einer Art viertägiger Klausurtagung die Stücke seiner ambitionierten Vorjahres-CD „Time Stood Still“ einzustudieren und aufzuführen.

Die jüngere amerikanische Szene wird in diesem Jahr von dem Saxophonisten David Sanchez repräsentiert (17.6.), einem der bemerkenswertesten Newcomer nach dem großen Flop, mit der die unselige Young-Lions-Dekade kürzlich endete. Ein ermutigendes Zeichen auch dafür, daß in Zeiten allgemeiner kultureller Amnesie der Rückgriff auf Tradiertes nicht gleichbedeutend sein muß mit der Wiederholung des Immergleichen.

Ein Mann, der weiß, wie ignorant jener spezifisch amerikanische Umgang mit dem kulturellen Erbe sein kann, ist der Saxophongigant Joe Henderson, der 1992, nach zwölfjähriger Studiopause in eigener Sache, ein in der Jazzgeschichte bislang beispielloses Comeback erlebte. Und der, damals 55jährig, cool genug blieb, um so ganz nebenbei darauf zu verweisen, daß er bereits seit dreißig Jahren eigentlich nichts anderes mache, als Joe Henderson-Musik zu spielen.

Als erster Jazzmusiker überhaupt gewann er gleich zweimal hintereinander den „Triple Crown Award“ der amerikanischen Zeitschrift Down Beat, und zwar als „Jazz Artist Of The Year“, „Top Tenor Saxophonist“ und für seine beiden Konzept-Platten „Lush Life“ (1992) und „So Near, So Far“ (1993). Billboard kürte Henderson ebenfalls zum „Jazz Artist 1993“ und seine CD zum „Jazz Album of 1993“. Henderson gewann binnen zwei Jahren drei Grammies und sicherte sich auch 1994 wieder die Position als bester Tenorsaxophonist im Jazz. Sein gerade veröffentlichtes drittes Konzeptalbum, „Double Rainbow“, ist eine Hommage an den während der Produktion der CD verstorbenen brasilianischen Komponisten und Musiker Antonio Carlos Jobim.

Dieses Projekt wird er exklusiv bei JazzAcrossTheBorder vorstellen (8.7.) – ein Festivaleinkauf, um den Huesmann nicht nur Berliner Jazzveranstalter beneiden werden. „Wir haben ihn einfach gefragt“, tiefstapelt Huesmann zum Thema Henderson, der derzeit als einer der teuersten Jazz-Acts überhaupt gehandelt wird. „Er spielt zwei Tage zuvor in Rom und hatte einfach große Lust, bei unserem Festival aufzutreten.“ „Warum also nicht einen kurzen Umweg über Berlin fliegen?“, soll Henderson kurzerhand geantwortet haben, und wie diese Story weitergeht, das hören Sie am besten selbst im Haus der Kulturen der Welt ... Christian Broecking

JazzAcrossTheBorder, ab heute bis 8.7. jeden Samstag, 18 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John- Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten.