Ohne Professoren läuft nichts

■ Bei den Wirtschaftswissenschaften steckt die Ökologie in den Kinderschuhen / Begrünung der Lehre an den Unis scheitert nicht zuletzt an den Unternehmen

Greenpeace verhandelt mit der Automobilindustrie über das 3-Liter-Auto, der BUND betreibt ökologische Unternehmensberatung bei Hertie, und seit dem Inkrafttreten der EU-Öko-Audit-Verordnung haben Unternehmen die Möglichkeit, ihr Umweltmanagementsystem zertifizieren zu lassen. Der einstige Gegensatz zwischen einer umweltfeindlichen Industrie einerseits und kompromißlosen Naturschützern andererseits verschwimmt in jüngster Zeit. Wie aber sieht es an den Universitäten aus, die sich ja selbst als Vordenker ansehen, und wo überdies der Führungsnachwuchs von morgen ausgebildet wird?

An der Uni Münster setzte sich eine Reihe von Hochschullehrern – unter ihnen der Marketing-Professor Heribert Meffert – Ende der 80er Jahre zusammen und erarbeitete ein Konzept zum Aufbau eines Studienschwerpunktes Umweltmanagement / Umweltökonomie, der seit 1991 auch angeboten wird. So wie die Studierenden jahrelang die klassischen Disziplinen wie Finanzierung oder Personal wählen konnten, stand ihnen nun offen, sich mit den ökologischen Aspekten des Betriebsgeschehens zu beschäftigen. Die Resonanz war groß, wenn auch die Anfangseuphorie nicht ganz ungetrübt blieb: Zwar zeigten sich einige potentiellen Arbeitgeber ökologischen Gedanken gegenüber aufgeschlossen. Im Zweifelsfall waren ihnen Absolventen mit Kenntnissen in den traditionellen Disziplinen aber lieber als schwer einzuschätzende Umweltexperten. Die Uni zog daraus die Konsequenz und bei ihren Studierenden erst einmal die Notbremse. Heute wird empfohlen, nur noch einen der beiden ökologischen Schwerpunkte zu wählen und ihn durch eine klassische Disziplin zu ergänzen. Auch wenn in Münster längst nicht alle Professoren von der Sinnhaftigkeit ökologischer Schwerpunkte im wirtschaftswissenschaftlichen Studium überzeugt sind, so sind bei Reformversuchen „von unten“ doch erheblich höhere Hürden zu überwinden. Davon können einige Studenteninitiativen ein Lied singen, die sich vielerorts seit Jahren um Veränderungen bemühen. So verfolgt die „Bayreuther Initiative“ seit nunmehr sieben Jahren das Ziel der Einrichtung eines Lehrstuhls für Betriebsökologie. Nach langen Diskussionen innerhalb der Uni waren dann endlich auch die letzten Gremienhürden genommen, doch nun verweigerte der bayerische Landtag im März das Ja-Wort. Alexander Schmelz, Bayreuther BWL-Student, zu einer der wesentlichen Erkenntnisse der jahrelangen Kontroverse: „Wenn man einen Professor im Rücken hat, haben Argumente in der Uni einfach ein ganz anderes Gewicht.“

Eine Einschätzung, die auch Stefan Schenck von der Initiative Wirtschaft und Umwelt (WUM) an der Uni Mannheim teilt. Hier war es vor allem die Blockadehaltung eines ehemaligen Rektors, die eine Veränderung behinderte. „Daraufhin waren obrigkeitshörige Professoren nicht gewillt, sich für uns auszusprechen, obwohl uns selbst im Stuttgarter Bildungsministerium alle versicherten, daß wir ein vernünftiges Konzept haben“, klagt der BWL-Student. Nun gibt es zwar bis auf weiteres keinen Lehrstuhl für Umweltmanagement in Mannheim, aber das stete Wirken der 10-15köpfigen Gruppe hat dennoch einiges in Gang gesetzt. So hat wohl nicht zuletzt die geduldige Überzeugungsarbeit bei den AssistentInnen dazu geführt, daß gleich drei BWL-Professoren in diesem Jahr erstmals ein Seminar zu Umweltthemen anbieten. Mit später Genugtuung stellten die WUM-Aktivisten zudem fest, daß sich auch der ablehnende Rektor von einst zwischenzeitlich im Rahmen eines Forschungssemesters dem Öko-Audit widmet.

Auch in Berlin ist die betriebswirtschaftliche Szene in Bewegung geraten. An der Technischen Universität arbeitet seit knapp zwei Jahren das Studienreformprojekt ÖBWL an der Begrünung der Lehre. Mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin und drei Studierenden, die allesamt auf der Gehaltsliste des Präsidenten stehen, ist das Projekt ein Mittelding zwischen Initiative von unten und Reform von oben. Das bringt den Vorteil, daß es mittlerweile für Studierende die Möglichkeit gibt, einzelne Lehrveranstaltungen als Bestandteil ihres regulären Studiums zu absolvieren. So haben sie in einem Planspiel Gelegenheit, relativ selbstbestimmt die Zusammenhänge einer ökologischen Veränderung in einem fiktiven Unternehmen zu erlernen. Die Hoffnungen auf eine dauerhafte Integration der Thematik in die Lehre verbindet sich auch hier am ehesten mit der Besetzung der vom Fachbereich beschlossenen Professur für Umweltmanagement. Dennoch merkt die prima inter pares im Projekt, Kerstin Pichel, kritisch an, daß die vorhandenen Strukturen den Lehrenden wenig Anreiz zum Ausprobieren neuer didaktischer Konzepte bieten. Das ist nach Auffassung der Diplom- volkswirtin aber unerläßlich: „Wie willst du denn in einer Vorlesung mit 400 Leuten die gerade im Umweltbereich so wichtigen Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft oder Fähigkeit zu interdisziplinärem Arbeiten vermitteln?“

Bleibt also die Erkenntnis, daß Unterstützung von professoraler Seite und Zustimmung in Politik und Wirtschaft offenbar Erfolgsvoraussetzung für die Integration des Umweltschutzes in die bestehende Lehre ist. Hoffnungsvolle Ansätze hinterlassen aber auch die Frage, inwieweit sich in den heutigen Strukturen tatsächlich Lösungen finden lassen, die den komplexen ökologischen Problemen und Erfordernissen gerecht werden. Rolf Wüstenhagen

Der Autor ist Studentischer Mitarbeiter im Studienreformprojekt „Ökologische Aspekte der Betriebswirtschaftslehre“ an der TU Berlin. Kontakt: Tel. 030 / 314-24981