■ NRW: Rot-Grün-Verhandlungen in entscheidender Phase
: Bruchpiloten im Cockpit

Hans Berger, der Chef der Bergarbeitergewerkschaft IGBE und Bundestagsabgeordnete der SPD, sagt es wenigstens ganz offen: „Ich will eine große Koalition in Düsseldorf.“ Nicht weil er die CDU so liebt, sondern weil er glaubt, nur so den Braunkohletagebau in Garzweiler II ohne Abstriche durchsetzen und den hoch subventionierten Steinkohlebergbau auf ewig erhalten zu können. Mit den Grünen geht das in der Tat nicht. Aus gutem Grund, denn die energiepolitische, ökologische und ökonomische Vernunft gebietet hier die Wende. Viele in der SPD teilen vom Grundsatz her die grüne Position. Doch sie schweigen. Reden tun andere. Etwa der neue SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen, der die Grünen ultimativ auffordert, sie müßten „Garzweiler akzeptieren, wenn sie in NRW mitregieren wollen“. Das Projekt sei ebenso „unverzichtbar“ wie die Erschließung weiterer Steinkohlelagerstätten im Norden des Reviers.

Solche öffentlichen Festlegungen lassen sich nicht mehr unter dem Stichwort Verhandlungspoker abbuchen. Im Gegenteil, hier wird bewußt Hand angelegt, um ein rot-grünes Fundament erst gar nicht entstehen zu lassen. Im persönlichen Gespräch hat Matthiesen gegenüber Berger „unzweideutig festgestellt“, daß er dessen Position zu Garzweiler „ohne Abstriche“ teilt und versichert, daß es Rot-Grün nicht geben wird, wenn die Grünen in dieser Sache nicht vollständig umfallen. Diese Unterwerfungsstrategie verfolgt Matthiesens Vorgänger, Friedhelm Farthmann, den das Wahlvolk in Neuss per Stimmzettel aus dem Parlament herauskatapultiert hat, ganz offen: „Die SPD muß die Grünen hetzen, sie muß sagen: Hier geht es lang.“ Durchstehen könne die SPD eine rot-grüne Koalition nur dann, so der noch immer einflußreiche Farthmann in der Zeit, „wenn wir die Grünen in allen Punkten demütigen, wenn wir uns voll durchsetzen“.

Auf diesem Kurs fliegt auch Matthiesen, selbst wenn er sich am Verhandlungstisch gezähmter gibt. Werden diese Bruchpiloten nicht SPD-intern bald auf den Kurs der politischen Vernunft gebracht, ist der Absturz sicher. Für die NRW-SPD ist Rot-Grün gewiß kein Wunschbündnis – das Wahlvolk hat diese Option ganz allein herbeigeführt –, doch die Matadoren müssen endlich begreifen, daß selbst ein „Konfliktbündnis“ nicht funktionieren kann, wenn der eine nur die Demütigung und Unterwerfung des anderen Partners im Schilde führt. Bleibt bei dem Pakt nicht die Identität beider Parteien gewahrt und in den Kompromissen erkennbar, dann ist das Scheitern vorprogrammiert. Holger Börner in Hessen weiß davon ein Lied zu singen.

Noch herrscht in den Verhandlungen selbst – auch in der für beide Seiten schwierigen Energiearbeitsgruppe – zwar ein freundlicher Ton, aber die dort diskutierten Lösungswege sind für die Partner in spe bald nicht mehr kommunizierbar, wenn die Schaukämpfer in der Öffentlichkeit so weiter wüten. Bestimmt erst einmal der blanke Klientelismus die Schlagzeilen und führen die Populisten ungebremst das große Wort, dann bleibt auch der schönste Sachkompromiß auf der Strecke. Darin liegt zur Zeit die größte Gefahr für Rot-Grün in NRW. Walter Jakobs