■ Die Nato schickt eine "Eingreiftruppe" von 10.000 Mann nach Bosnien. Aber eigentlich ist es gar nicht die Nato, die sie schickt, und es ist auch keine Eingreiftruppe. Die Blauhelme kriegen einen...
: Beschützer beschützen Beschützer

Die Nato schickt eine „Eingreiftruppe“ von 10.000 Mann nach Bosnien. Aber eigentlich ist es gar nicht die Nato, die sie schickt, und es ist auch keine Eingreiftruppe. Die Blauhelme kriegen einen olivgrünen Schutzbezug zum Friedenssichern sichern

Beschützer beschützen Beschützer

An sich wollten sich die 16 Verteidigungsminister der Nato bei ihrer Frühjahrstagung über Fragen der nuklearen Planung unterhalten. Aber eine Woche nach dem Pariser Beschluß, zusätzliche Soldaten nach Bosnien zu schicken, mußten sie bei ihrem Treffen in Brüssel vor allem Mißverständnisse ausräumen.

Die knapp 10.000 französischen, britischen und niederländischen Soldaten seien keine Eingreiftruppe, hämmerte Bundesverteidigungsminister Volker Rühe den Journalisten immer wieder ein, weil sie nicht in den Krieg eingreifen, sondern lediglich die Blauhelme schützen sollen.

Obwohl sie statt mit blauen mit olivgrünen Helmen und schweren Waffen ausgestattet würden, beschränke sich ihr Auftrag formal auf die Unterstützung der Blauhelme. Ein neuer UNO-Auftrag sei nicht nötig, nur eine Bestätigung des Sicherheitsrates für die Erhöhung der Truppenstärke.

Das Mandat bleibe die Erhaltung des Friedens, nicht die Erzwingung. Es handele sich auch nicht um eine Nato-Truppe, sondern um ein multilaterales Kommando, das von drei Nato-Ländern aufgestellt werde. Die Befehlsgewalt für die Zwitter-Kreation werde bei der UNO liegen, aber nicht bei der Zentrale in New York, sondern bei den beiden UN- Generälen vor Ort. Über den letzten Punkt wird noch gestritten. So einfach will sich der UNO-Generalsekretär Butros Ghali nicht ausmanövrieren lassen. Doch die Regierungen in Paris und London wollen auf keinen Fall nachgeben. Sie halten die UNO für unfähig, die Blauhelme zu schützen.

Darum drohten sie regelmäßig damit, ihre Soldaten aus dem Kriegsgebiet abzuziehen. Die neue Truppe gilt als letzter Versuch, den Blauhelmeinsatz zu halten. „Es war eine Koalition der Bereitwilligen“, umschrieb Rühe in Brüssel die Tatsache, daß sich außer den drei Regierungen kein Nato-Land bereitfand, zusätzliche Soldaten ins Kriegsgebiet zu schicken.

Der französisch-britische Appell an die anderen Nato-Partner, sich an der schnellen Einsatztruppe zu beteiligen, löste vor allem in den USA und in Deutschland ein innenpolitisch motiviertes Taktieren aus. US-Präsident Bill Clinton, im beginnenden Vorwahlkampf um Entschlossenheit bemüht, kündigte erst Bodentruppen an, ließ sich aber dann von seinem Außenminister Warren Christopher zurückpfeifen und will nun lediglich mit Kriegsgerät aushelfen. Unterdes stimmte das Repräsentantenhaus für eine Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien – solche Beschlüsse pflegt Clinton aber zu ignorieren.

Bundesverteidigungsminister Volker Rühe sah plötzlich die Chance, den Durchbruch bei der „Normalisierung“ der deutschen Außenpolitik anzustreben. Er versprach, die Bundeswehr mit einer sechshundert Mann starken Sanitätseinheit am multilateralen Einsatz zu beteiligen. Den entscheidenden Schritt aber stellt die geplante Entsendung von sechs bis acht Tornados mit rund dreißig Mann Besatzung dar, die zur Unterstützung der Nato-Luftstreitkräfte nach Italien verlegt werden sollen. Damit würde zum erstenmal seit dem Zweiten Weltkrieg eine deutsche Armee zu einem Kampfeinsatz ausrücken.

Den Boden dafür hat Rühe schon vorher bereitet, indem er die deutsche Öffentlichkeit darauf eingestellt hat, daß die Bundeswehr beim eventuellen Abzug der Blauhelme nicht abseits stehen dürfe. Wer kann schon nein sagen, wenn es darum geht, den Nato-Partnern bei einer ihrer heikelsten Aktionen beizustehen? „Wenn wir uns beim Abzug beteiligen, den niemand will“, meint Rühe jetzt, dann sei es logisch, die Bundeswehr auch in Stellung zu bringen, wenn es darum geht, die Blauhelme zu halten.

Der Rückzug scheint nun für mindestens einige Monate aufgeschoben. Man werde darauf zurückkommen, warnte der britische Verteidigungsminister Rifkind in Brüssel, wenn die Situation der Blauhelme trotz der zusätzlichen Truppen nicht sicherer werde.

Worauf die Bosnier nun vielleicht hoffen, das möchten die Nato-Verteidigungsminister um jeden Preis verhindern: daß es zu einer Eskalation bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen Olivhelmen und den bosnischen Serben kommt. Die Zwittertruppe hat zwar einen Kampfauftrag, aber sie soll dabei strikt neutral bleiben. Alois Berger, Brüssel