FDP weint Kinkel keine Träne nach

■ Auf ihrem Parteitag tut Kinkel seiner FDP einen letzten Gefallen: Er warnt vor Möllemann

Mainz (taz) – Klaus Kinkel tritt als FDP-Vorsitzender ab. Besonders zu bedauern scheint das keiner beim Parteitag in der Mainzer Rheingoldhalle. Die Basis trage die Parteiführung „auf den Schultern, damit wir da oben Politik gestalten können“, schmeichelte Klaus Kinkel gestern mittag in seiner Abschiedsrede den 661 Delegierten. Allzu sicher saß der scheidende Parteivorsitzende auf diesen Schultern jedoch anscheinend nicht.

Demütigungen wie beim letzten FDP- Parteitag in Gera blieben in Mainz aus. Man mußte Kinkel auch nicht mehr zum Rücktritt zwingen – er ging freiwillig. Doch der Applaus, mit dem er begrüßt wurde, war trotzdem mäßig, und am Ende seiner Rede erwartete den Quereinsteiger, der erst vor zwei Jahren den Parteivorsitz übernommen hatte, nicht mehr als ein artiges Klatschen. Selbst als der eine oder andere sich zu Ehren des scheidenden Chefs erhob, schien Hans-Dietrich Genscher in seinen Dankesworten die „Herzlichkeit“ und „stehenden Ovationen“ für Kinkel eher herbeireden zu wollen, als sie beschreiben zu können.

Mit deutlicher Zustimmung konnte Kinkel nur rechnen, als er – ohne den Namen ein einziges Mal zu nennen – deutlich von einem künftigen Parteivorsitzenden Jürgen Möllemann abriet. „Es geht nicht an, daß einige sich selbst für wichtiger halten als die Partei und das, wofür die Partei steht“, kritisierte der scheidende FDP- Chef den Kandidaten unter Bravorufen der Delegierten. „Wir müssen in der FDP wieder lernen, menschlich anständig miteinander umzugehen und nicht die eigenen Parteifreunde zur Zielscheibe von Profilierungsspielchen zu machen.“ Möllemann schien ungerührt. Erst beim Schlußapplaus gab er sich die Mühe, mitzuklatschen und dem Scheidenden ein wenig Respekt zu zollen.

Kinkel machte keinen Hehl daraus, daß ihm der Abschied schwerfällt. „Ich gehe nicht leichten Herzens und bin traurig, traurig darüber, daß wir uns in so einer schwierigen Lage befinden“, offenbarte er den Delegierten in larmoyantem Ton. Es folgte die hinlänglich bekannte Analyse: „Wir haben oben Fehler gemacht. Unter dem Druck des Wahlmarathons der letzten zwölf Monate sind wir zu sehr Funktionspartei geworden, der man aus Vernunftsgründen die Zweitstimme gibt.“ Und er bat um die Absolution: „Ich verdanke der FDP viel, das werde ich nie vergessen. Ich werde es nie vergessen.“

Als Kinkel mit Inbrunst um „Sympathie und Zuneigung“ für die FDP bat, schien er die Bestätigung dafür zu suchen, daß er nicht allein für den desolaten Zustand seiner Partei verantwortlich ist. Schließlich, meinte er, habe er doch sein Bestes gegeben, habe sich „nicht geschont und versucht, für unsere FDP erfolgreich zu sein“. Nun hofft er auf die weitere Unterstützung der Parteikollegen für seine Aufgabe als Außenminister.

Zustimmung und Wohlwollen, wie Kinkel sie sich sicher für sich selbst gewünscht hätte, wurden überraschend Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zuteil. Als sie sich gegen den Angriff eines Delegierten wehrte, der ihre linksliberalen Positionen kritisierte, unterstützte die Parteibasis sie mit Riesenapplaus und Bravorufen. Da hatte selbst der medienerfahrene Jürgen Möllemann das Nachsehen, der wie kein anderer die Schar der Journalisten um sich zu sammeln suchte. Karin Nink