Was wird im 51. Jahr?

Es ist wohl „gut gegangen“, das öffentliche Gedenken an den 8. Mai 1945. Keine Katastrophen und Verstimmungen, das Interesse war in allen Generationen groß, die Auseinandersetzung ernsthaft. Aber was wird bleiben? Es gab und gibt die Sorge, daß mit dem großen 50. Jahrestag ein „Schlußstrich“ gezogen werden könnte, bewußt oder fahrlässig; denn jedenfalls sind die damals Jungen alt geworden – auf allen Seiten. Wie wird die deutsche Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen, an die Ermordung der europäischen Juden in Zukunft aussehen? „Was wird sein im 51. Jahr“?, fragt Ignatz Bubis. Aus dieser Sorge hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft Bremen an 100 Bürgerinnen und Bürger der Stadt eine Frage: gerichtet„Brauchen wir in Deutschland einen Tag des Gedenkens an die Vernichtung der Juden? Und wenn ja: Welcher Tag sollte es sein?“ Angeschrieben wurden Menschen aus Politik, Wirtschaft, Verbänden, Kirchen und Wissenschaft. Etwa 20 haben schriftlich geantwortet; davon werden hier neun in Auszügen vorgestellt. Inzwischen hat sich die Sache weiterentwickelt: die Sprecher der Bundestags-Fraktionen haben sich geeinigt, den 27. Januar, den Tag der Befreiung des Todeslagers Auschwitz, als „Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Völkermords“ zu begehen. Bundespräsident Herzog soll mit den Ländern Einvernehmen über die Gestaltung des Tages herbeiführen; am 9. November soll das Ergebnis im Bundestag – ohne Debatte! – beschlossen werden. So gut die Initiative auch ist: die Angst vor politischem Streit ist fatal. Wir müssen über Sinn und Gestalt eines solchen Gedenktages reden – das ist nicht nur eine demokratische Selbstverständlichkeit, es ist entscheidender Teil des Gedenkens selbst. Denn mit dem Gedenktag ist der deutschen Gesellschaft die Frage gestellt, wie sie mit der Verantwortung ihrer Geschichte umzugehen gedenkt, welche Verpflichtung gelten soll, welche Geschichte an diesem Tag „erzählt“ werden wird. Nur insoweit ist es auch wichtig, welcher Tag es dann wird. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft will ihn; wir möchten dazu beitragen, daß die Skeptiker mit ihren guten Gründen nicht recht behalten. Wir bitten um Beteiligung an der Diskussion. Hermann Kuhn, MdBB, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Bremen