■ Im Porträt: Henning Scherf
: Ein perfekter Umarmer

Im zweiten Anlauf hat es dann doch noch geklappt: Nachdem Henning Scherf 1985 um die Nachfolge von Hans Koschnick knapp unterlegen war, kann er seinen damaligen Konkurrenten Klaus Wedemeier nun beerben. Als SPD-Spitzenkandidat hat der „lange Henning“ jetzt die besten Chancen als erster Ministerpräsident eines Bundeslandes in die Annalen einzugehen, der auf dem Fahrrad zum Rathaus kommt. Schon als Senator hatte Scherf die meisten dienstlichen Wege in der Stadt auf seinem übergroßen Drahtesel zurückgelegt.

Auch in politischeren Fragen hatte Scherf sich in früheren Jahren als ungewöhnlicher Minister bewiesen. So zum Beispiel 1984, als er sehr zum Ärger der damaligen Bundesregierung als Erntehelfer ins sandinistische Nicaragua fuhr. Oder als sich der gelernte Jurist und Staatsanwalt zu einer Anti-Atomraketen-Blockade auf die Straße setzte. Auch bundespolitisch ist Scherf, der seit 1984 dem SPD-Bundesvorstand angehört, ab und zu aufgefallen. So zum Beispiel 1979, als er den damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens (CDU), Bundestagspräsident Richard Stücklen (CSU) und den Unions-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß als „Alptraum“ bezeichnet. Strauß entdeckte darin eine „undemokratische und hetzerische Gesinnung“.

In Bremen hat Scherf so ziemlich jedes höhere Amt bekleidet, das die SPD zu Zeiten ihrer Alleinregierung zu vergeben hatte. 1971 wurde Scherf im Alter von 33 Jahren Bürgerschaftsabgeordneter, ein Jahr später bereits SPD-Landesvorsitzender. Das blieb er bis 1978, als er zum ersten Mal in den Senat gewählt wurde – mitten in der laufenden Legislaturperiode als Nachfolger des zurückgetretenen Finanzsenators.

Von 1979 bis 1990 war Scherf Sozialsenator und hat in dieser Zeit vor allem die „Neuordnung der Sozialen Dienste“ (NOSD) auf den Weg gebracht. Bis heute ist diese Aufteilung der zentralen Sozialamts-Aufgaben in vier Stadt-Regionen nicht vollständig abgeschlossen und hat neben einigen Erfolgen größerer Bürgernähe auch vielerlei Reibungsverluste und eine Inflation von Gremien-Sitzungen mit sich gebracht.

1987 führte Scherf für kurze Zeit das nach der Wahl von Herbert Brückner zum Landesvorsitzenden verwaiste Gesundheitsressort und übernahm damit die undankbare Aufgabe, den korrupten Verwaltungschef der Schwarzgeld-Klinik, Aribert Galla, auf elegante Art in den Ruhestand zu befördern. Aus dem späteren Untersuchungsausschuß kam Scherf jedoch im Unterschied zu Brückner und seinem damaligen Staatsrat Hans-Helmut Euler ohne Blessuren wieder heraus.

Seit 1990 leitet Scherf das Bildungsressort. Dort hat er sich die Durchsetzung größerer Autonomie der Schulen gegenüber der zentralen Schulbürokratie vorgenommen und ist im vergangenen Jahr mit der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes auf diesem schwierigen Weg tatsächlich ein Stückchen vorangekommen. Großen Ärger brachte Scherf dagegen das jährlich wiederkehrende Problem allzu spät organisierter Versetzungen von LehrerInnen zwischen einzelnen Schulen und Schulstufen.

Doch selbst in den peinlichsten Konflikten bedient sich Scherf gerne seiner im Sozialressort zur Perfektion gebrachten Taktik, GegendemonstrantInnen mit großer Geste so lange zu umarmen und zu loben, bis sie ihre Kritik am Politiker Scherf wieder vergessen haben.

Ase