: Henning Scherf hat in Bremen die Nase vorn
■ Urwahl bei der Bremer SPD: Scherf vor Euler / Koalitionsfrage ungewiß
Bremen (taz) – Bremens neuer Regierungschef heißt aller Voraussicht nach Henning Scherf. Der 56jährige Politiker konnte bei einer Urwahl der rund 9.600 Bremer SPD-Mitglieder die Mehrheit in fast allen Ortsvereinen für sich gewinnen. Die ebenfalls zur Abstimmung stehende Frage, ob die SPD nun mit der CDU oder den Grünen in Koalitionsverhandlungen treten soll, war am späten Nachmittag noch nicht entschieden. Beide Positionen lagen fast gleichauf. Überraschend hoch war die Beteiligung an der Urwahl ausgefallen. In den allermeisten Ortsvereinen lag sie weit über dem vom Landesvorstand angepeilten Mindestquorum von 20 Prozent, in vielen sogar über 50 Prozent.
Scherf war bereits 1985 als Kandidat um die Nachfolge von Altbürgermeister Hans Koschnick in den Ring gegangen. Damals unterlag er auf einem Landesparteitag nur knapp dem jetzt als Bremer Regierungschef zurückgetretenen Klaus Wedemeier. Diesmal hatte Scherf gegen seinen Konkurrenten Hans-Helmut Euler ein leichteres Spiel.
Euler hatte 1988 im Gefolge einer Korruptionsaffäre im größten Bremer Krankenhaus als Chef der Senatskanzlei zurücktreten müssen und war seitdem politisch nicht mehr aktiv. In seinem SPD- Ortsverein hatte Euler sich im Unterschied zu dem mit allen Wassern der Partei gewaschenen Scherf kaum noch blicken lassen.
Während sich Euler vor der Abstimmung ausschließlich auf eine Große Koalition festgelegt hatte, plädiert Scherf für Rot-Grün, schließt aber auch eine Zusammenarbeit mit der CDU nicht aus. Nachdem die SPD bei den Landtagswahlen am 14. Mai zum zweiten Mal in Folge ein Wahldesaster erlebt hatte, von der absoluten Mehrheit auf 33,4 Prozent absank und damit nur noch um 0,8 Prozentpunkte vor der CDU liegt, hätte eine rot-grüne Koalition im Parlament des kleinsten Bundeslandes mit 51 von 100 Stimmen die denkbar knappste Mehrheit zur Verfügung. Vor allem aus diesem Grund hatten im Vorfeld der SPD- Urwahl viele prominente Mitglieder vor einer Koalition mit den Grünen gewarnt. Dirk Asendorpf
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