Unorte: Verpackungen Von Claudia Kohlhase

Ohne Verpackung kein Inhalt, ganz klar. Verpackung ist die halbe Miete, wenn nicht die ganze, warum also nicht jeder sein eigener Christo, seine eigene Christa? Manchmal reicht schon der Bademantel mit elegant geschwungenem Bademantelgürtel, um sich als Inhalt zu fühlen und auch insgesamt hübsch kompakt. Außerdem erscheint man verpackt viel kompetenter konstruiert, was positive Folgen für die eigene Akzeptanz nach sich zieht. Allerdings ist noch der Kopf frei, und man spürt um so heftiger die angrenzende Umwelt, die ja nie genügend Abstand hält. Ein ziemliches Problem, und im Prinzip unlösbar, außer man wird orthodox polemisch und moslemisch und wickelt sich Tischtücher um den Kopf.

Das will man natürlich nicht wirklich, darum scheiden Kopfwickel auch wieder aus, und man legt statt dessen Make-up auf, jedenfalls die, die Make-up zu Hause haben.

Insgesamt gesehen ist das Thema Verpackung sehr schwierig, weil man nicht weiß, wo Verpackung anfängt beziehungsweise wo Verpackung aufhört und ob Verpackung nur dann Verpackung ist, wenn sie überflüssigerweise geschieht. Nachher ist das, was man sowieso angezogen hätte oder einfach so angezogen hat, gar keine echte Verpackung, sondern bloß Schutz und Schirm, etwa gegen böse Kälte und böigen Wind oder sekretabsondernde Mitmenschen und Mittiere. Streng genommen sind ja auch Nudeln und Mehl nicht angezogen, sondern eben verpackt und hätten mir durchaus lose mitgegeben werden können.

Aber wir kommen zu weit ab, denn es geht hier ja um die eigene Verpackung, also um den Inhalt, der um so mehr erkannt werden soll, je verpackter, jedenfalls wenn ich meinen persönlichen Christo richtig verstanden habe. Natürlich kann man sich auch symbolisch verpacken und etwa schweigen oder Mätzchen machen, damit einen keiner sieht oder hört oder sich sein Teil denkt. Aber Obacht: Die meisten, die sich ihr Teil denken, denken das Falsche. Darum ist Sprechen und ein angemessenes Aus-sich-Herausgehen doch besser. Das zeigen auch Untersuchungen, nach denen extrovertierte Menschen wesentlich mehr auffallen als introvertierte. Blöderweise kontrastiert diese Tatsache unschön mit der ganzen Verpackungsidee, weil, wer schon mal verpackt ist, ja nicht so schnell aus sich herausgehen kann, wie er vielleicht müßte, um als der erkannt zu werden, der er ist, weswegen er sich ja überhaupt nur verpackt hat. Dazu müßten sich nun wieder beide Mühe geben, der Verpackte und der eventuelle Erkenner, was die neue Frage aufwirft, ob der Erkenner am Ende und wie zur Belohnung tatsächlich auspacken darf oder nur Teile auswickeln. Vielleicht muß er auch bloß das Wesentliche erkennen, was sich ja schon in der Form abzeichnet und wozu man den Inhalt gar nicht wirklich kennen muß.

Wie wir schon wieder sehen, ist das Ganze doch viel schwieriger, als wir wollten, daß es sein sollte. Darum lassen wir das Thema jetzt fallen, der Platz ist auch um, neue Verpackungen beginnen sich am Himmel abzuzeichnen, es können auch Wolken sein. Aber das würde nichts machen. Hauptsache, man verhängt uns die Welt und verspricht uns ein Großes Dahinter. Mit Schnürlregen wär's natürlich noch besser.