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24 Stunden freie Fahrt

■ Haase und Diepgen tricksen Nagel aus / Brandenburger Tor werktags für Autos offen / Gestern bereits zwei Kilometer Stau

Autofahrer können seit gestern, fünf Uhr morgens, durch das Brandenburger Tor fahren – von Ost nach West. Die Tordurchfahrt ist eine Umleitung für die Clara-Zetkin-Straße, die die Polizei wegen der Verhüllung des Reichstags gesperrt hat. Am frühen Morgen floß der Berufsverkehr mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von Tempo zehn flüssig durch das Denkmal, geriet nachmittags aber völlig ins Stocken. Fußgänger, die den Pariser Platz überquerten, mußten sich durch die Autokarawane hindurchquälen. Die Polizei meldete zwei Kilometer Stau.

Das Tor wird für den Privatverkehr erst wieder am Wochenende gesperrt, weil Verkehrsverwaltung und Polizei ab dann mit täglich etwa 200.000 Schaulustigen rechnen, die den von Christo verhüllten Reichstag und auch das nahe gelegene Denkmal mit der Quadriga besuchen wollen. Die Durchfahrt bleibt dann wieder ausschließlich Bussen, Taxen sowie Polizei-, Feuerwehr- und Krankenwagen vorbehalten. Während der drei Wochen, in denen der Reichstag „eingewickelt“ bleibt, wird das Tor werktags wieder einspurig geöffnet. Zwischen sechs und zehn Uhr morgens wird eine zusätzliche zweite Spur für Autofahrer frei gemacht. Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) erhob gegen Verkehrssenator Herwig Haase und den Regierenden Bürgermeister (beide CDU) schwere Vorwürfe. „Das Vorgehen von Herrn Diepgen und Herrn Haase ist in meinem politischen Leben ein bisher einmaliger Vertrauensmißbrauch“, sagte der Senator gestern. Am Vortag hatten alle drei einen Kompromiß ausgehandelt. Die hatte SPD sich gegen die Durchfahrung ausgesprochen. Das Tor dürfe nicht den Erschütterungen des Verkehrs ausgesetzt werden, und die Massen von Touristen müßten den Pariser Platz ungehindert überqueren können. Laut Nagel hätten Diepgen und Haase am Dienstag zugesagt, das Tor nur in den Morgenstunden zwischen sechs und zehn Uhr zu öffnen, nachträglich diesen Kompromiß mißachtet.

Nagel hatte am Montag angekündigt, im Falle einer ganztägigen Öffnung die Durchfahrt mit Barrikaden in Baustellenform zu blockieren. Von diesem Plan rückte er gestern ab. Statt dessen wollten die SPD-Vertreter Bergmann, Böger und Dzembritzki den „Vertrauensmißbrauch“ abends bei einer seit langen mit der CDU geplanten Koalitionsrunde besprechen. Doch weder SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer noch die SPD- Fraktion erwarteten eine Lösung. Stahmer riet gestern der Koalition, bis zur Wahl am 22. Oktober „ordentlich und sachorientiert“ weiterzuregieren.

Der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Tomas Spahn, wies die Vorwürfe des Bausenators zurück. Diepgen und Haase hätten es nicht nötig, einen Senatskollegen „mit Taschenspielertricks aufs Kreuz zu legen“.

Auch für Nagel sei eine von der Arbeitsgruppe Sicherheit und Verkehr erarbeitete Regelung die Grundlage des Kompromisses gewesen. Dirk Wildt

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