: Diesmal bringt Chirac die Bombe
■ Frankreich will Atomtests wiederaufnehmen / Weltweite Kritik, nur Klaus Kinkel hält die Klappe
Berlin/Genf (taz) – Sie gehören zur französischen Präsidentschaft wie die Blumenkränze zu Polynesien: Atombombentests. Jacques Chirac, Frankreichs neuer Präsident, hat jetzt angekündigt, daß sein Land die unterirdischen Nuklearversuche auf dem Moruroa-Atoll im Südpazifik wiederaufnehmen wird. „Die Versuche sind notwendig, um die Sicherheit und die Zuverlässigkeit“ der französischen Atomwaffen zu gewährleisten, begründete Chirac den strahlenden Initiationsritus. Umweltschäden seien bei den acht geplanten Versuchen nicht zu befürchten.
Unabhängige Experten konnten nach diesen Äußerungen gestern nur den Kopf schütteln: „Es gibt keine technologischen Gründe für diese Tests“, so die Atomwaffenexpertin Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung in Hamburg. Schon über 170mal hat Frankreich seit 1964 auf dem Moruroa-Atoll Atombomben getestet. Das Gestein des Atolls ist deshalb an einigen Stellen schon brüchig.
Der Protest in der Region ist einhellig: Neuseelands Außenminister Don McKinnon bestellte den französischen Botschafter ein und warf ihn anschließend wegen der Mißachtung der Gefühle im Südpazifik eigenhändig wieder aus dem Büro. Sein Regierungschef Jim Bolger schimpfte, die französischen Militärs bräuchten wohl „ein größeres Spielzeug“. Japans Außenminister Yohei Kono warf seinem französischen Amtskollegen einen Vertrauensbruch gegenüber Nicht-Atomwaffenstaaten vor. Australiens Ministerpräsident Paul Keating protestierte. Die Gewerkschaften des Landes fordern zum „Boykott französischer Produkte“ auf. Am drastischsten brachte Inatio Akaruru, stellvertretender Ministerpräsident der Cook- Inseln, die Kritik auf den Punkt: „Wenn die Tests so sicher sind, wie die Franzosen behaupten, warum werden sie nicht in Frankreich durchgeführt?“ Auch die USA und Rußland reagierten verärgert.
Besondere Brisanz birgt die französische Entscheidung für die Verhandlungen der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz über ein Teststopp-Abkommen. Vor allem die Länder des Südens fühlen sich betrogen: Frankreich und die vier anderen offiziellen Atomwaffenstaaten hatten gegen deren Bedenken im Mai die unbegrenzte Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages durchgesetzt – mit der Zusage auf einen atomaren Teststopp bis Ende 1996. Paris, aber auch London drängen hinter den Kulissen in Genf jetzt darauf, nur das Verbot von Tests oberhalb der Stärke von 400 Tonnen vertraglich zu vereinbaren. In Genf wird befürchtet, daß auch US-Präsident Clinton nach der Ankündigung französischer Tests jetzt einknickt.
Bundesaußenminister Klaus Kinkel, auf den die Länder des Südens besonders gerechnet hatten, enttäuschte gestern mit den Worten, die Ankündigung der Atomtests sei eine „nationale Entscheidung Frankreichs“. Noch Mitte Mai hatte das Auswärtige Amt den letzten chinesischen Atomversuch heftig kritisiert: Solche Tests seien „nur schwer mit dem Geist der Verlängerungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag vereinbar“. A. Zumach/ten
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