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Alpenfestung Spreebogen

■ Mit einem Betonblock wollen die Architekten Diener & Diener die Schweizer Botschaft am Reichstag erweitern / Baubeginn erst, wenn Tunnel gedeckelt sind

Wer kennt es nicht, das einzige Gebäude im Spreebogen, das wie ein letzter Zahn sich dort hält. Erst Delegationshaus, dann Konsulat und heute Botschaft der Schweiz — Außenstelle Berlin – hat es als einziger Zeuge des ehemaligen Alsenviertels bis dato überlebt. Ein Grund dafür liegt sicher in dem unauffälligen Charme, den die Schweizer in der Frontstadt pflegen.

Jedermann hat sich fast schon daran gewöhnt, daß die Eidgenossen das Gebäude vom Spreebogen-Biotop regelrecht zuwachsen ließen. Die Zurückhaltung, die manchmal auch mit Langsamkeit verwechselt wird, beschert den Schweizern nun den erstbesten Standort im Regierungsviertel: Ihre Botschaft liegt direkt am Reichstag, hat den Kanzler und die Parlamentarier als Nachbarn.

Weil es mit dem Dornröschenschlaf im Jahr 2000 dort wohl vorbei sein wird, planen die Schweizer einen nötigen Erweiterungsbau ihrer Gesandtschaft, der einer Alpenfestung nahe kommt. Nach den Entwürfen des Baseler Architekturteams Diener & Diener ist vorgesehen, direkt neben dem Altbau einen Betonblock zu errichten, der auf den ersten Blick einem fast geschlossenen Bollwerk mit zwei Schießscharten gleicht.

Sicher wie ein Banktresor

Im Erdgeschoß öffnet sich die Betonfassade zu einer Hofeinfahrt, darüber folgen zwei schmale hohe Fensterschlitze, die etwas Licht in die Burg lassen. Der Büroanbau für die konsularischen und diplomatischen Dienste, der für rund 20 Millionen Schweizer Franken hochgezogen wird, gibt sich auch auf der Ostseite geschlossen. Lediglich zur Gartenfront bricht der Bau mit einer Terrasse etwas auf.

Diener & Diener gingen mit ihrem Entwurf am Donnerstag als Sieger aus einem Bauwettbewerb hervor, zu dem neun Büros eingeladen waren; darunter Axel Schultes, Peter Zumthor, Max Dudler und das Atelier 5.

Man täte den Architekten Unrecht, würde man übersehen, warum ihr Entwurf wie ein sicherer Banktresor erscheint. Die Modernisten aus Basel beließen den Altbau außen wie er ist, übertrugen aber seine Formen auf abstrakte Weise auf den Neubau.

Die Erdgeschoßzone wurde auf den Eingang übertragen, das Obergeschoß paßt sich der Höhe des Palais an, und die Fensterschlitze zitieren den Rhythmus der historischen Fassade. Daß im Spreebogen die Botschaft später wie ein Alpenfels jenseits des „Regierungsbandes“ stehen wird, scheint Absicht: Die Sonderrolle der Schweiz in Europa wird unterstrichen.

Erst einmal wird der Botschafter aus dem 1870 von Friedrich Hitzig gebauten Palais ausziehen müssen. Neben dem Gebäude, das sich seit 1919 im Besitz der Schweizer befindet, soll der Autotunnel gegraben werden.

Erst wenn dieser 1997 „gedeckelt“ ist, könnte der Neubau erfolgen. Kippt der Tunnel, will Botschaftsleiter Widmer „früher beginnen“. Rolf Lautenschläger

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