„Die SPD darf keine Denkverbote und auch keine Sprechverbote auferlegen“

■ Angelika Pensky hat das Desaster für die SPD vor zwei Jahren vorausgesagt und wurde deshalb damals abserrviert. Jetzt setzt sie auf den Bumerang-Effekt der Rotschwarzen Koalition

taz: Sie haben als Mitglied im SPD-Landesvorstand vor gut zwei Jahren den Rücktritt von Wedemeier betrieben und gesagt: Wenn es keinen personellen Neuanfang gibt, folgt auf das Wahldesaster von 1991 ein neues 1995. Sie sind damals unterlegen mit Ihrer Position und abgewählt worden. Ist jetzt irgendjemand zu Ihnen gekommen und hat gesagt: Sie haben damals Recht gehabt?

Angelika Pensky: eine offizielle Mitteilung darüber habe ich nicht erhalten. Sicherlich gibt es aber in den Köpfen einiger Genossinnen und Genossen die Erinnerung daran. Es ist nicht mein Ding, Recht zu behalten. Es ist wichtiger, was mit der Paretei nach diesem Desaster passiert.

Die Partei ist offensichtlich am Boden zerstört.

Ja. Es gilt jetzt, einen Weg zu finden, wie man diese Elefantenhochzeit für die nächste Wahl 1999 nutzbar machen kann.

Die SPD hat durch ihre Mitgliederentscheidung erklärt, daß sie sich die politische Führung in Bremen nicht mehr zutraut und dafür die Hilfe der CDU braucht. Das könnte ein Abschied aus der Verantwortung sein.

Ich bin der Meinung, wenn die SPD vor der Wahl die Chance gehabt hätte, Inhalte und auch Personen zu diskutieren, dann wäre das Ergebnis ein anderes gewesen..

... also Rotgrün.

Ja. Wenn man vor der Wahl kein Redeverbot über Koalitionen erlassen hätte und wenn die Mitglieder sich damit auseinandersgesetzt hätten, welche Vor- und Nachteile mit den jeweiligen Koalition verbunden sind, dann hätten sie sich für Rotgrün entschieden, Davon bin ich überzeugt. Man hätte mit der inhaltlichen Diskussion Fixpunkte ausmachen können und Personen finden können.

So ist die SPD in Verzug geraten und mußte eine Notlösung finden. Sowas macht jede Partei über kurz oder lang kaputt.

Notlösung - das ist Scherf?

Ja. Es ist eine Lösung, die aus der Not geboren worden ist. Henning Scherf sagt ja auch für sich selbst, daß er daas nur für vier Jahre machen wird. Eigentlich muß in zwei Jahren schon wieder über Konsequenzen und Perspektiven nachgedacht werden. Ich setze darauf, daß wir dann spätestens mit einer rotgrünen Koalition nach vorne gehen können.

Die CDU wird doch in zwei Jahren leicht sagen können: Alles, was geklappt hat, ist dank CDU passiert, und wenn was nicht realisierbar war, ist die SPD daran schuld. Das wird eine einfache Bilanz werden.

Das ist mir zu sehr schwarz - weiß. Es wird mit Sicherheit sozialdemokratische Erfolge geben, aber es wird auch eine Menge von CDU-Erfolgen geben, die die Stadt verändern. Ich setze darauf, daß dieses Bündnis Rot-grün nach vier Jahren deutlich stärker geworden ist aufgrund der Politik, die aus einer großen Koalition kommt.

Nun haben wir die witzige Lage, daß die SPD-Politiker, die für die große Koalition waren, alle ausgetreten oder nicht mehr präsent sind, während die Verfechter von Rotgrün jetzt die große Koalition machen und vertreten müssen - und sich dabei verbrauchen.

Das ist ein ausgesprochener Sachzwang. Ich setze darauf, daß die Partei in der Lage ist, dieses Regierungsbündnis so zu begleiten, daß daraus Perspektiven für 1999 herauskommen. Die SPD kann sich keine Denkverbote und auch keine Sprechverbote leisten. Sie muß Zukunftsthemen offensiv angehen und darf sich nicht verschanzen und in das große Schweigen verfallen.

Ausgerechtnet die Mitgliedschaft im intellentuellen und fortschrittlichen UB-Ost hat mehrheitlich für Rotschwarz gestimmt...

Ja. Auch da gilt: Hätte man vor der Abstimmung Person und Koalitionen ausgiebig diskutieren können, dann hätte das Ergebnis anders ausgesehen. es ghab nur das Argumebnt: Wir müssen Rotschwarz machen, weil wir zahlenmäßig in der Geschlossenheit das sonst nicht schaffen. Es ging nur um die Zahl der möglichen Heckenschützen. Unter diesem Eindruck haben dann die Mitglieder, die nicht regelmäßig zu Ortsvereinen kommen, die aber jetzt eine Aussage machen sollten, weil sonst keiner eine Aussage machte, entschieden.

Verstehe ich das richtig, daß das eine vernichtende Kritik am Landesvorstand ist?

Ich habe immer gesagt, daß es keinen Zweck hat, Denk- oder Sprechverbote auszusprechen. wenn man eine Streitkultur pflegen will, muß man diese auch zulassen und muß tolerant sein und Widerspruch auch aushalten. Der Landesvorstand, der jetzt die Geschicke der Partei lenkt, hat Informationen und Diskussionen nicht nach vorn gebracht. Int.. K.W.