Klingende Grußpost

■ ...von den „Recyclers“: Stöckchen- und Bürstenklänge aus aller Welt beim Konzert im KITO Vegesack

Postkarten kommen meist aus fremden Städten oder Ländern mit Grüßen in vertrauter Handschrift. So ähnlich ist die Musik der Recyclers: fremd und vertraut zugleich. Vielleicht betiteln sie deshalb viele ihrer Kompositionen und Improvisationen als „postcard from ...“.

Das Trio aus Paris – Steve Argüelles (dr, perc), Benoît Delbecq (p), Noäl Akchoté (g) – spielt nicht nur mit melodischem und rhythmischem Material aus aller Welt, sondern auch mit Sounds. Beim Konzert im Vegesacker KITO konnte die kleine Gästeschar das Klangwunder live erleben.

Alle Instrumente der Recyclers sind präpariert. Der Klang der Pianosaiten z.B. ist mit Holz- und Metallklemmen, Stöckchen, Bürsten und Metallplättchen verfremdet. Dadurch ergeben sich verwirrende Effekte: eine Reibung von gedämpften und ausklingenden Tönen; halbe Akkorde; überraschende Brüche in den Pianolinien.

Verstärkt wird diese gebrochene Stimmung durch die Spielweise Delbecqs, der seine kurzen melodischen Floskeln, oft in repetetiven Mustern, häufig mit verzögertem Anschlag spielte. Argüelles trommelt dazu kontrastierende oder umspielende Rhythmen. Mit federndem Schwung schuf er vielschichtige rhythmische Strukturen für die Klangcollagen der Recyclers.

Durch Taktverschiebungen und Verzögerungen im Zusammenspiel der drei Musiker entwickelten die Stücke beim Konzert eine eigenartige Spannung. Gitarrist Akchoté setzte Akzente mit seiner elektronisch verfremdeten und zusätzlich präparierten Gitarre. Mal ließ er sein Instrument wie eine schmutzige Rockgitarre im Stil der 70er klingen, Assoziationen an Chicagos „Free Form Guitar“ weckend; mal klang es wie eine verschämte Hawaii-Gitarre oder Slideguitar. Ab und zu schrammelte er auch auf einer speziell angefertigten akustischen Gitarre, die aussah wie eine Designer-Ukele.

Resultat all dieser Aktivitäten waren komplexe musikalische Miniaturen voll innerer Reibung, mit manchmal abrupter, manchmal allmählicher Transformation. Die drei Musiker verstanden es dabei, trotz Verfremdung, Zerlegung und Neumontierung des Materials, unterhaltsam zu bleiben. Immer wieder gab es akustische Déjà-vus. Ihr musikalisches Spiel mit Formen, Sounds und stilistischen Versatzstücken kam bei den bedauerlicherweise nicht mal zehn ZuhörerInnen ausgesprochen gut an.

Gefragt, ob diese geringe BesucherInnenzahl nicht frustrierend sei, meinte Noäl Akchoté ganz gelassen, daß er schon zufrieden sei, wenn nur ein oder zwei ZuhörerInnen ihm das Gefühl vermittelten, die Musik gefalle ihnen – solange nicht jeder Auftritt dermaßen spärlich besucht sei. Arnaud