Kellerwirtschaft

■ Erneut fördert die Wirtschaftsbehörde Hauffs „Phantasien im Ratskeller“: Der Flop vom letzten Jahr wird wieder aufgewärmt, auch wenn die Touristen kein Interesse zeigen

„Never change a loosing team.“ So oder ähnlich wird man in der Hanseatischen Veranstaltungs Gesellschaft gedacht haben. Wie sonst wäre der aktuelle Beschluß der Wirtschaftbehörde zu erklären, in diesem Sommer zum zweiten Mal in Wilhelm Hauffs „Phantasien im Ratskeller“ zu investieren. Bereits im vergangenen Jahr hatte es eine freie Theaterproduktion gegeben, gemanagt von Hans-August Kruse. Das Wirtschaftsressort hatte sich davon versprochen, Sommergäste in die Stadt zu locken. Als vor einem Jahr die Kulissen in der Unteren Rtahaushalle abgebaut wurden, waren sich alle Beteiligten einig: So was machen wir nie wieder. Ein Flop in doppelter Hinsicht war Abend für Abend über die Bühne gegangen: künstlerisch eine flaue Nummer und wirtschaftlich ein Desaster. Nur im Wirtschaftsressort neigt man zur Wiederholungstat. Wieder fördert man aus dem Tourismusfonds ein Spektakel, das die Bremen-Touristen partout nicht sehen wollten - in diesem Jahr mit der Summe von 50.000 Mark.

Aber das sollte eigentlich niemanden verwundern. Denn auf die Kunst, öffentliche Gelder zu beschaffen, hat sich der Kulturmanager Kruse schon immer besonders gut verstanden. Bereits für sein Bremen-Musical „Casting“ war es ihm gelungen, öffentliche Mittel aufzutreiben. , Im den Stempel des „Broadway-Produktion“ zu bekommen, wurde es in New York aufgeführt - und fiel dort prompt durch. Auch die letztjährige Hauff-Produktion schien mit 120.000 Mark keinesfalls knapp ausgestattet. 73.000 Mark hatte schon damals das Wirtschaftsressort zur Verfügung gestellt.

Wo das Geld allerdings genau abblieb, fragten sich die Beteiligten bald. Schon während der Proben gab es ständig Zoff um die Gagen der Schauspieler. Und einige der Beteiligten prozessieren seit einem Jahr um ihr Geld aus der 94er-Produktion. Lutz Gajewski war nur einen Monat dabei: „Ich hatte dann einfach kein Vertrauen mehr und bin ausgestiegen. Zu Anfang hörte sich das alles ganz toll an, Kruse wollte in dieser privaten Produktion Gagen zahlen, die sonst nur am Staatstheater üblich sind. Das hat hier viel Theaterleute verführt. Viele machten da nur wegen des Geldes mit.“ Aber schon bald seien die vollmundigen Versprechungen von Kruses schlechter Zahlungsmoral Lügen gestraft worden. „Kruse hielt nie etwas ein, behauptete, das Geld sei überwiesen, dann war der Scheck gar nicht rausgegangen. Man mußte immer betteln. Bis zehn Tage vor der Premiere waren nicht mal die Gagen von den Proben gezahlt. Viele haben ihr Geld bis heute nicht.“

Der ehemalige Bauunternehmer Hans-August Kruse fühlt sich dennoch weiterhin zum Kulturmanager berufen und durch die Vorwürfe nicht getroffen. Zwar mußte auch er eine negative Billanz ziehen. „Die Platzausnutzung hat nur bei 20, 30 Prozent gelegen“ gibt er zu, dabei hatte man mit 2300 Zuschauern gerechnet. Hauff '94 sei ein finanzieller Tiefschlag gewesen, „da bin ich in die Knie gegangen“. Mittlerweile jedoch ist der Kulturmanager wieder auf die Füße gekommen. Die Finanzspritze von 50.000 Mark aus dem Wirtschaftsressort gibt offensichtlich eine gute Gehhilfe ab. Solch ein Betrag gilt in der Kulturszene durchaus als bedeutend. Zum Vergleich: Das Junge Theater mußte vier Jahre lang kämpfen, um die gleiche Summe von der Kulturbehörde zugesprochen zu bekommen - und macht damit ein ganzes Jahr lang Theater.

Stehen für das Hauffspektakel die Chancen beim zweiten Mal besser? Für die diesjährige Version der „Phantasien im Bremer Ratskeller“ sollen dem vorjährigen Team Idee und Textbuch abgekauft werden. Neu sind die Schauspieler und der Regisseur. Im Gespräch ist Matthias Siebert, der mit seiner „Casting“- Inszenierung nur bedingt als Hoffnungträger gelten kann. Vor allem jedoch wolle man in diesem Jahr die Vermarktung verbessern.

Diese hehren Absichten scheinen die Wirtschaftsbehörde überzeugt zu haben. Zur Begründung für die Bewilligung der Förderung räumt Hans Jürgen Böttjer, Sachbearbeiter der regionalen Wirtschaftsförderung, ein: „Damals sind die Gelder zu kurzfristig vergeben worden.“ Nun habe man Zeit, um für die Veranstaltung auch zu werben. Sein Ressortleiter Hansjoachim Torke gibt zu bedenken: „Wir haben zur Auflage gemacht, daß im künstlerischen Bereich nachgebessert wird.“ Zwar sähe man es gern, wenn das Hauff-Spektakel zu einer Dauereinrichtung im Bremer Sommer würde. Doch auch die Tourismusförderung der Wirtschaftsbehörde erwarte bei Langzeitprojekten „regressiven Förderungsbedarf“, im Klartext: Diesmal muß Kruses Hauff es schaffen, mit einer ausgeglichen Bilanz abzuschließen.

Ob das gelingen kann, scheint bereits jetzt mehr als fraglich, ist doch die Vorverkaufssaison für Sommerfestivals schon weit vorangeschritten. Michael Göbel von der Hanseatischen Veranstaltungs Gesellschaft konnte den Kulturmanager Kruse zum jetztigen Zeitpunkt auch nur noch beraten. Für mehr an PR sein das Projekt nicht groß genug und die Zeit zu weit vorgeschritten. „Richtige Tourismus-Pakete mit Busveranstalter laufen da nicht mehr.“ Aber wenigstens seien die Plakate in diesem Jahr bereits gedruckt, lobt der öffentliche Werbefachmann Göbel. So könne das Spektakel doch immerhin zwei Monate vor der Premiere (7. September) wenigstens in Bremen bekannt gemacht werden. Das sei ein Fortschritt: In letzten Jahr lag der Zuschauermangel nicht nur am Wetter , wie Manager Kruse analysierte. Nicht einmal Stadtführerinnen und andere hauptamtliche Bremer hatten von der Ratskeller-Show, gewußt. Denn die Plakate hingen erst „eine Stunde vor Kassenöffnung“. Daß der Erfolg einer jeden Theaterveranstaltung allerdings mit der künstlerischen Qualität steht oder fällt, scheint sich noch nicht ganz in der Bremer Wirtschaftbehörde herumgesprochen zu haben.

Kein Wunder, man ist ja nicht vom Fach, fühlt sich möglicherweise in Fragen der künstlerischen Qualitätskontrolle nicht ganz zuständig. Aber bevor man größere Summen bewillgt, stünden ja die Kollegen von der Kulturbehörde zur Verfügung. „Ich bin äußerst verwundert,“ gibt Barbara Loer zu „es gab eine Abmachung mit dem Wirtschaftsressort, daß solche Entscheidungen fachlich von uns beurteilt werden sollen.“ Darauf hat man verzichtet.

Und Ressortleiter Torke mußte auch auf die Frage, ob er sich denn den leeren Zuschauerraum und die Inszenierung, die er da in diesem Jahr wieder fördere, einmal angeschaut habe, passen: nie gesehen.

Susanne Raubold