Steuerreform klemmt

Die derzeit reichen Kommunen fürchten eine Umverteilung der Gewerbesteuer-Einnahmen  ■ Von Christian Rath

Die Unternehmen sollen durch eine Reform der Gewerbesteuer entlastet werden, ohne daß die Kommunen, denen die Einnahmen hauptsächlich zustehen, am Ende schlechterstehen. Verlockend verkauft Finanzminister Theo Waigel (CSU) sein Konzept für die dritte Stufe der Unternehmenssteuerreform und kommt dennoch nicht vom Fleck.

Konkret fordert Waigel, die eine Hälfte der Gewerbesteuer, die sogenannte Gewerbekapitalsteuer, völlig abzuschaffen und die andere Hälfte, die Gewerbeertragssteuer, „mittelstandsfreundlich“ zu senken. Dies soll die Attraktivität des Standorts Deutschlands erhöhen. Hier habe die Gewerbesteuer als deutsche „Sondersteuer“ psychologisch hemmend gewirkt.

Die Kommunen sollen im Gegenzug mit 2,7 Prozent an der Umsatzsteuer beteiligt werden. Dies entspreche sogar einer alten Forderung der Städte und Gemeinden nach einer weniger konjunkturanfälligen Finanzierung. Diese Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer erfordert allerdings eine Änderung von Artikel 106 des Grundgesetzes. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag war bereits Mitte Mai deutlich verfehlt worden, weil die Opposition geschlossen mit Nein stimmte.

Wie das Geld verteilt wird, steht erst 1999 fest

Zwar werden Waigels Grundüberlegungen weithin geteilt, aber noch ist den Kommunen das Projekt nicht ganz geheuer. Denn aus der Sicht einer einzelnen Stadt ist es nicht ausreichend, wenn alle Städte und Gemeinden insgesamt eine Kompensation erhalten. Die jeweilige Stadt will natürlich auch wissen, wie sich die Reform konkret auf ihre eigenen Finanzen auswirkt – vor allem die westdeutschen Kommunen mit einem starken Gewerbesteueraufkommen.

Ein Schlüssel, wie der geplante kommunale Anteil an der Umsatzsteuer auf die einzelnen Städte und Gemeinden verteilt werden soll, liegt aber noch nicht vor. Es gibt zwar Absichtserklärungen, wonach dieser Schlüssel sich ebenfalls auf die örtliche Wirtschaftsleistung beziehen soll, konkrete Festlegungen sind nach Angaben aus dem Finanzministerium jedoch nicht vor 1999 möglich. Denn zuvor müssen noch Unmengen an Daten erhoben und Modellrechnungen entwickelt werden. Für diese Datenerhebung sollte die Rechtsgrundlage im Jahressteuergesetz 1996 erst geschaffen werden.

Für die Übergangszeit von 1996 bis 1999 hat Waigel den Kommunen deshalb garantiert, daß jede Stadt und jede Gemeinde so viel aus dem kommunalen Umsatzsteueranteil erhält, wie ihr schätzungsweise auch bei Fortgelten der alten Gewerbesteuerregelung zugeflossen wäre. Sogar für die Zeit nach 1999, wenn also der noch unbekannte Schlüssel angewandt werden soll, hat Waigel den Verlierer-Kommunen für eine gewisse Zeit Ausgleich versprochen.

Bei den Kommunen gibt es nun drei Lager. Diejenigen, die eh nur geringe Gewerbesteuereinnahmen haben, wie die ostdeutschen Städte und Gemeinden, können durch die Reform eigentlich nur gewinnen, halten sich derzeit aber aus Solidarität zurück.

Unter den übrigen wird derzeit über die Taktik diskutiert: Sollen sie es bei der defensiven Forderung belassen, daß keine Kommune am Ende schlechtergestellt sein darf als vor der Reform – oder soll man Waigels Interesse an einer Unternehmensentlastung ausnutzen, um endlich eine Gemeindefinanzreform zu erreichen? Hier müßten die insbesondere durch den massiven Anstieg der Sozialhilfeausgaben gebeutelten Kommunen am Ende deutlich mehr im Säckel haben, fordert etwa der Wiesbadener OB Achim Exner (SPD).

Die Voraussetzungen für ein offensives Vorgehen sind deshalb relativ günstig, weil derzeit die SPD und ihre Argumentation ganz auf die Bedenken der Kommunen abstellt. Ob die SozialdemokratInnen diese BremserInnenrolle jedoch auf Dauer durchhalten werden, ist fraglich. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Jens, hat seine Partei bereits aufgefordert, den Widerstand gegen die Abschaffung der „wettbewerbsfeindlichen“ Gewerbekapitalsteuer aufzugeben.

Auch die Regierung versucht, Druck zu machen. Ihr Argument: Es wäre unsinnig, die Gewerbekapitalsteuer, von der die ostdeutschen Unternehmen noch bis Anfang 1996 befreit sind, dort erst einmal mit großem Aufwand einzuführen, um sie dann kurze Zeit später wieder abzuschaffen. Und eine weitere Befreiung werde die EU wohl kaum dulden, was die Opposition jedoch bezweifelt.

SPD-Minister will niedrigeren Steuersatz

Unterdessen wird Waigels Reformansatz aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt in Frage gestellt. Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Spöri (SPD) rechnete in einem Beitrag für das Handelsblatt vor, daß die Gewerbesteuerpläne der Regierung unter dem Strich mittelstandsfeindlich seien. Entlastet würden vor allem Großbetriebe, und dort am meisten die vom Standortdruck relativ unberührten Banken und Versicherungen. Klein- und Mittelbetriebe, die in Baden-Württemberg immerhin 92 Prozent der Unternehmen ausmachen, sparen bei der Senkung der Gewerbeertragssteuer nur 34 Prozent und bei der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sogar nur 15 Prozent der Gesamtentlastung.

Gleichzeitig würden die Abschreibungsbedingungen für alle Betriebe verschlechtert, weil der Bund die Kompensation der Gemeinden auch finanzieren muß. Hier werden dann aber auch Klein- und Mittelbetriebe unabhängig von ihrer geringen Entlastung bei der Gewerbesteuer voll zur Kasse gebeten. Als alternativen Weg schlägt Spöri eine weitere Senkung der Höchststeuersätze vor.

Aller Voraussicht nach wird der Antrag auf Grundgesetzänderung in dieser Woche genauso durchfallen wie schon einst im Mai. Ein SPD-Experte meinte trocken: „Eigentlich bräuchten wir die Reden von damals nur noch zu Protokoll geben.“