Nicht nur Kamele sind tabu

■ Landesrabbiner: „Durch koschere Kost erfüllen wir einen Teil der heiligen Schrift“

Der Mensch ist, was er ißt. Die Nahrung des Menschen entscheidet über sein Wohl- oder Übelsein, über Aura, Geruch und Gesundheit. Waren diese Erkenntnisse vor rund 3.300 Jahren noch nicht wissenschaftlich belegt, so schrieb sie Moses dennoch in seinen fünf Büchern nieder.

Gott, der Herr und Gebieter über Mensch und Tier, hatte zu ihm gesprochen: „Alles, was die Klauen spaltet und wiederkäut unter den Tieren, das sollt ihr essen“ (3. Buch, Kap. 11). Aber Gott nahm viele Tiere von dieser Regel aus. Wiederkäuer ohne gespaltene Klauen, seien für den Menschen tabu: Kamele sollten die Menschen nicht essen, auch keine Kaninchen oder Hasen, Schweine schon gleich gar nicht. Ebenso tabu Wassertiere ohne Flossen oder Schuppen. Auch die niederen Tiere nahm Gott vom menschlichen Speisezettel. „Was auf Erden schleicht, das soll euch eine Scheu sein“. Die Tiere der Lüfte waren nach Mose ebenfalls nicht zum Verzehr bestimmt. Ausnahme: Heuschrecken. Religionsgelehrte erweiterten diese Gebot später: Alle geflügelten Tiere, die mit dem Menschen zusammenleben, dürften verzehrt werden.

Beachten ChristInnen diese im Alten Testament geschriebenen Gebote kaum noch, sind sie für Juden und Jüdinnen in aller Welt heilig. Die Thora hält die Gesetze der fünf Bücher Mose zusammen, verbindlich für alle religiösen Juden und Jüdinnen. Sie bilden die Grundlage für koscheres Essen.

Doch nicht allein die Tierart entscheidet über koschere oder nicht koschere Kost. Ebenso wichtig ist die Zubereitung. Milchige und fleischige Speisen müssen in der koscheren Küche streng voneinander getrennt werden. „Orthodoxe jüdische Familien haben zwei Kühlschränke“, erklärt Benyamin Barslai, Bremer Landesrabbiner, die Grundzüge moderner koscherer Küche.

Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hatte am Dienstag abend zu dem Thema „Was ist koscher?“ geladen. Beeindruckt folgten die Gäste den erhellenden Ausführungen von Barslai. „Dann braucht man aber sehr viele Töpfe und Geräte“, stellte eine Christin fest. So wie nämlich eine milchige Speise einen fleischigen Topf berührt, wird er nach jüdischem Glauben unrein und damit unbrauchbar für die koschere Küche.

Immer wieder befremdet sind deutsche ChristInnen über das koschere Schlachten. Nach den Gesetzen der Thora dürfen Juden und Jüdinnen kein Blut essen, Tiere müssen ausbluten. Doch die Thora schreibt auch vor, Tiere nicht zu quälen, Verstöße werden hart bestraft. Der Schächter benutzt daher ein spezielles Messer, „schärfer als eine Rasierklinge“. Bevor dem Tier die Kehle durchgeschitten wird, prüft ein Rabbiner die Klinge auf Scharten. In Deutschland wird nur in den großen jüdischen Gemeinden Frankfurt, Berlin und München koscher geschlachtet. Juden und Jüdinnen in Bremen müssen sich dort Fleisch bestellen.

Da jedoch auch geschächtete Tiere Blut im Körper behalten, wird das Fleisch vor dem Verzehr eine halbe Stunde in Wasser gelegt. Dann ruht es eine Stunde im Salzbett, wird wieder mit Wasser abgespült. „Dann kann man alles mit dem Fleisch machen, selbst Medium Steaks“, sagt Barslai. In den USA und in Israel gebe es mittlerweile alle Lebensmittel und Speisen koscher. In New York habe er selbst schon in einem chinesisch-koscheren Restaurant gegessen. Vom Koch bis zum Kellner seien alle chinesisch gewesen. Ein Rabbiner habe lediglich die koschere Zubereitung überwacht.

Mindestens 50 göttliche Gesetze können bei der Zubereitung und dem Verzehr koscheren Essens beachtet werden. „Jede profane Handlung kann damit eine göttliche Wirkung haben“ sagt Barslai. Die jüdisch koschere Küche sei damit nicht allein ein Vorratsraum, sondern ein Zentrum religiöser Handlung. „Ein gewisses Flair umgibt das koschere Kochen – wir erfüllen damit etwas, das uns in der heiligen Schrift vorgegeben wurde“. ufo