Ein internationaler Gringo

■ Neu im Kino: „Amigomio“, eine Alptraumreise durchs lateinamerikanische Exil, von Jeanine Meerapfel

Im Zentrum dieses Films steht eine Reise: eine wunderschöne, abenteuerliche Fahrt durch Lateinamerika: die argentinische Pampas, die Berge der Anden und die subtropischen Wälder Ekuadors. Der arbeitslose Akademiker Carlos und sein achtjähriger Sohn Amigomio müßten sich eigentlich über diese intensive und innerlich bereichernde Erfahrung freuen, aber für sie ist es eine Quälerei. Denn sie sind auf der Flucht ins Exil, und wenn man sich nicht freiwillig für solch eine Tour entscheidet, sondern durch die politischen Verhältnisse im Argentinien der 70er Jahre zu ihr gezwungen wird, dann ist genau das, was für viele eine Traumreise wäre, ein nicht enden wollender Alptraum.

Die Filmemacherinnen Jeanine Meerapfel und Alcides Chiesa wissen wovon sie hier erzählen; beide sind in Buenos Aires geboren und leben seit vielen Jahren in Deutschland. Und so gelingt es ihnen in diesem Film, sehr einfühlsam und überzeugend die Sehnsucht des Emigranten nach einer Heimat spürbar zu machen. Carlos, der ruhelose und oft am Rande der Verzweiflung stehende Vater, ist im Grunde schon im Exil geboren, denn seine Eltern flohen in den 30er Jahren aus Deutschland. Mario Adorf spielt in einer Nebenrolle wunderschön den Vater von Carlos als einen bodenstämmigen Bauern, der die fruchtbare Erde in Amerika genauso liebt wie in Europa. Seinem Sohn fehlt dieser Halt, deshalb nennt er sich einen „internationalen Gringo“. Er bleibt immer ein wenig distanziert und ist so auf der Reise hilfloser als sein Sohn Amigomio, der sich schneller anpassen kann, und zum Ende des Films Ekuador zu seiner Heimat gemacht hat und gar nicht mehr zurück nach Argentinien will.

Diesen Konflikt zwischen Vater und Sohn zeigen die beiden Regisseurinnen sehr behutsam und mit einem klugen Mitgefühl – so hält der Film eine feine Balance und wird weder zum Thesenkino noch zum gefühlsbeladenen Melodram. Stattgessen hat diese Mischung aus Roadmovie und Familienportrait einen ganz eigenen melancholisch- poetischen Stil. Und in schönster lateinamerikanischer Tradition gibt es auch einige phantastisch/realistische Verzierungen. Wie ein Engel der ewigen Rebellion folgt den beiden Helden etwa ein europäischer Revoluzzer, der ständig verhaftet wird, und doch nie verschwindet. Wilfried Hippen

Cinema, tägl. 18.45 Uhr (spanische Originalfassung mit Untertiteln)

Heute abend stellt Jeanine Meerapfel ihren Film persönlich im Kino vor