Beim Knall der Korken

■ Das Freudenfest der Sponsoren: Bremer Firmen pushen das Musikfest diesmal mit 1,5 Millionen Mark

Als das erste Musikfest 1989 unter erheblichen Schwierigkeiten und unter großem Widerstand der städtischen MusikerInnen regelrecht aufgesetzt und durchgesetzt wurde, war Helga Trüpel in der Opposition. Findet nun das sechste Fest statt, wird sie es wieder sein. So nutzte die grüne Kultursenatorin die gestrige Pressekonferenz des Musikfestes – die letzte ihrer Amtszeit – dazu, um deutlich zu machen, welchen überregionalen Stellenwert sie inzwischen dem Musikfest einräumt. Wollte sie sich letztes Jahr noch klammheimlich aus der Unterstützung rausstehlen, so ist sie dieses Mal wieder dabei, ebenso wie der Wirtschaftssenator: Zusammen bringt die Stadt 800.000 Mark auf. Diesselbe Summe erhofft man sich von den Einnahmen durch Eintrittsgeld. Aber die Traumsumme von 1,5 Millionen bringen 23 Sponsoren auf – „ganz treue Seelen“, wie Organisator Thomas Albert verriet.

So ist das Musikfest wieder ein Festival der Sponsoren, ein Festival der Stadt und ein Festival der MusikliebhaberInnen. Vom 27. August bis zum 6. Oktober wird es auf diversen Bühnen in Bremen, Bremerhaven und im Umland stattfinden. Das Sponsorengeld – Albert warb sieben neue Geldgeber ein – ist natürlich ein fabelhaftes Polster, um sich konzeptionell „an den Metropolen zu orientieren“ (Hans Joachim Torke vom Wirtschaftsressort). Und mit Weltnamen wird daher geknallt wie mit Sektkorken. Wobei Thomas Albert wieder die Mitte finden mußte zwischen dem, was er eigentlich künstlerisch will und dem, was ganz einfach Kassenmagneten sind (ungeachtet der Qualität). Den Auftakt gibt das Israel Philharmonic Orchestra unter seinem Leiter Zubin Metha oder auch Methin Zuba, wie Helga Trüpel sich so schön versprach. Hat der Bremer „Musicon“-Verein noch bis zuletzt versucht, Thomas Albert die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, daß Metha das Konzert der Münchner Philharmoniker im Frühjahr hier nicht dirigieren konnte, so ist nun Raum für die Vorfreude aller auf das große Konzert im Eduscho-Terminal.

Die absurden Aufführungen in den großen Hallen, in denen man in der hinteren Hälfte weder sieht noch hört – aber man ist dabei gewesen! –, hat Albert erfreulich eingeschränkt, wenn auch nicht abgeschafft. Und das Hilliard-Ensemble mit Jan Garbarek: zwar als CD 300000 mal verkauft, aber wirklich unvermeidlich bei einem Festival dieses Anspruchs?

Zu den Sahnestücken unter den 23 Konzerten gehört hingegen der Auftritt der London Classical Players unter Roder Norrington, die die dritte Sinfonie von Anton Bruckner spielen werden. Das Konzert wird zeigen, wie sich der Begriff „historische Aufführungspraxis“ in Bezug auf das Jahr 1873 heute umsetzen läßt. John Eliot Gardiner ist natürlich wieder da, aber leider nicht mit einer Fortsetzung seines Berlioz-Zyklus, sondern mit einer Reproduktion einer „musikalischen Akademie“ von 1800, an deren Ende Beethovens erste Sinfonie uraufgeführt wurde. Das Revolutionäre dieser Musik soll auf diese Weise wieder erfahrbar gemacht werden.

Dann gibt's noch eine Menge Projekte der seltenen Art wie zum Beispiel „Les Musiciens du Louvre“ aus Toronto, die „mit fliegenden Tänzern und wunderbaren Kostümen“ Purcells „Dido und Aeneas“ aufführen, oder der Besuch des Ensembles „Gu Feng“ mit klassischer und moderner Musik aus China. Die Deutsche Kammerphilharmonie, das fabelhafte Quatuor Mosaiques und viele, viele andere runden den Festivalreigen ab – für den man sich von der Programmgestaltung her einiges spannender, auch sorgfältiger gestaltet gewünscht hätte. Ute Schalz-Laurenze