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5 Jahre Haft für 200fachen Mißbrauch

■ Zeuge Jehovas wegen Mißbrauchs seiner Töchter verurteilt

Tübingen (taz) – Weil er über mehrere Jahre hinweg seine Tochter und seine Adoptivtochter mißbrauchte, wurde gestern vor dem Tübinger Landgericht ein Sektenmitglied der „Zeugen Jehovas“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der heute 48jährige Vater hatte während der gesamten Verhandlung seine Schuld abgestritten und seinen Kindern Rachemotive unterstellt (die taz berichtete gestern). Das Leugnen entnervte zuletzt auch den Anwalt des Angeklagten, Rolf Bossi. Kurz vor dem letzten Verhandlungstag legte er sein Mandat „wegen unüberbrückbarer Meinungsgegensätze“ nieder.

Der Staatsanwalt warf dem Vater im Schlußplädoyer vor, aus „einem völlig normalen Kind“ einen lebenslang geschädigten Menschen gemacht zu haben. Würde jede der 200 Mißbrauchstaten einzeln mit wenigstens sechs Monaten Haft bestraft, errechnete der Staatsanwalt eine Gesamtstrafe von 100 Jahren. Für angemessen hielt er allerdings eine fünfjährige Gefängnisstrafe. Dagegen hatte der noch im Verfahren gebliebene zweite Verteidiger Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Keiner der Vorwürfe könne von den Kindern an einem bestimmten Tag konkretisiert werden. In seinem „letzten Wort“ beschuldigte der angeklagte Vater seine Töchter, Ehebruch begangen und falsche Aussagen gemacht zu haben. „Daran werden sie zugrunde gehen.“ Gegen den ebenfalls mitangeklagten Großvater wurde das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.500 Mark eingestellt. Ihm wurde vorgeworfen, seine damals achtjährige Enkelin in einem Fall ausgezogen und befingert zu haben.

Die heute 16jährige Jessica wohnt seit dreieinhalb Jahren in verschiedenen Erziehungsheimen. Zweimal schon versuchte sie sich das Leben zu nehmen. Ihr Wunsch war es, bei der Verurteilung des Vaters dabei zu sein. Begleitet von einer Betreuerin saß sie regungslos in der letzten Reihe. Philipp Maußhardt

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