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Neu-Ulmer Zahlenspiele

■ Oberbürgermeisterwahl gilt trotz verschiedener Ergebnisse

Neu-Ulm (taz) – In Ulm wurde 1879 Albert Einstein geboren. Doch in der Nachbarstadt Neu- Ulm hat man bis heute, 116 Jahre später, nicht einmal das Zählen gelernt. Begonnen hat die Blamage vor gut einem Monat. Eine Frau und drei Männer waren Anfang Mai angetreten, das bislang „schwarze“ Neu-Ulmer Rathaus für sich zu erobern. Nach dem ersten Wahlgang blieben Beate Merk (37) von der CSU und Gerd Hölzel (51) von der SPD übrig. So kam es am 21. Mai zur Stichwahl, und die ging äußerst knapp aus. Nur 43 Stimmen Vorsprung für die einstige Gleichstellungsbeauftragte Beate Merk. Die Juristin am Landratsamt zeigte sich trotzdem zufrieden.

Doch einen Tag vor dem gestrigen Amtsantritt von Frau Merk dann die Überraschung: auf Antrag der SPD waren von 30 „Nachzählern“ die 19.084 Stimmzettel noch einmal gezählt worden, nachdem zahlreiche Unkorrektheiten bei der Stimmenauszählung moniert worden waren. Das Ergebnis, von Frau Merks bisherigem Arbeitgeber, Landrat Franz Josef Schick (CSU), verkündet, ließ aufhorchen. In jedem zehnten Wahllokal war falsch gezählt worden. Am Schluß war Beate Merks Vorsprung auf gerade einmal drei(!) Stimmen zusammengeschmolzen. Was der Landrat vergessen hatte mitzuteilen: Nach dem ersten Nachzählen war der SPD-Mann Gerd Hölzel mit einer Stimme Vorsprung vorne gelegen, „wobei noch nicht über alle zweifelhaften Stimmzettel entschieden war“. Was immer das heißen mag, man fand plötzlich auch noch ein paar ungültige Stimmen und so war denn am nächsten Morgen alles wieder ganz anders. Frau Merk hatte plötzlich wieder die Nase vorne. Die Frage nach einer möglichen Neuwahl will der Landrat trotzdem nicht hören. Dazu komme es keinesfalls. SPD-Fraktionschef Eddi Hartmann, der ursprünglich seine Wahlanfechtung zurückziehen wollte, wird dies nun nicht tun. Beate Merk will in jedem Fall ihr neues Amt antreten. Die Zählpannen, so die CSU-Frau, seien natürlich unangenehm, doch „damit lebe ich und damit arbeite ich. Mir gibt das einen zusätzlichen Motivationsschub.“ Klaus Wittmann

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