: Vorschlag
■ Mehr als Import via MTV: „Streetlife 95“-Festival im PinkPong
Das heute beginnende „Streetlife 95“-Festival im Kreuzberger Jugendforum PinkPong steht vor keiner kleinen Herausforderung. Nachdem der Innensenator mit Unterstützung der „Noffiti“-Bürgerinitiative die in Berlin agierenden Sprüher-Crews zum Stadtfeind Nr. 1 erklärt hat, und nachdem man versucht hat, die gesamte Szene aus der subkulturellen in die manifest kriminelle Ecke zu rücken, wollen die Organisatoren beweisen, daß „Straße“ auch Kreativität, Leben und eine Vielfalt verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten bedeuten kann. Einer der Schwerpunkte dieser Veranstaltung, die an drei Tagen Filme, Konzerte, offene Workshops und ein Streetball-Turnier anbietet, ist die HipHop-Kultur. Was Anfang der siebziger Jahre in den Straßenschluchten der heruntergekommenen New Yorker Innenstadtbezirke mit Kool DJ Hercs Soundsystem, den Graffiti von „Phase 2“ und den Electric-Boogie-Tänzern begann – die Rückeroberung urbaner Öffentlichkeit von unten mit eigenen kulturellen Mitteln –, hat auch zwanzig Jahre und einige Ausverkäufe später für einen großen Teil der heutigen Jugendszene noch immer nichts an Aktualität und Faszination verloren.
In den Workshops vermitteln die Experten mit zum Teil zehnjähriger Erfahrung die Grundtechniken und Kniffe ihrer jeweiligen Disziplinen: Rapper „Baz“ erklärt den Sprechgesang, Sprüher „Toast“ zeigt, wie Airbrush und Graffiti funktionieren. Dazu gibt es am Samstag abend einen großen HipHop-Jam mit „Zombie Squad“, „Scandalous“ (beide aus den Niederlanden), „Rebel One“ und „Massive Fu“ (beide aus Berlin), bei dem sowohl die dänische Breakdanceformation „Out of Control“ als auch die „Wedding B-Boys“ und „United 4 Battle“ aus Kreuzberg auftreten werden, die die beiden ersten Plätze der Berliner Meisterschaften belegten und demnächst in Hannover an den europäischen Wettkämpfen teilnehmen werden.
Dennoch gehe es nicht nur um HipHop, sagt der 24jährige Sprüher und Mitorganisator Dirk, der seit acht Jahren in der Szene aktiv ist und seinen Lebensunterhalt mit legalen Graffiti und Grafik bestreitet. „Wir wollen nicht sagen: HipHop ist der einzige Weg. Es ist ein Weg von vielen.“ Dirk, auch unter seinem Künstlernamen „Skywise“ bekannt, ist Mitglied der von Africa Bambaata gegründeten Zulu Nation, zu derem deutschen Chapter auch die Old-School-Rapperin Cora E. und ihr Kollege Torch gehören. „Es geht nicht um Dogmatismus, sondern um einen positiven Ansatz, mit dem eigenen Leben umzugehen“, erzählt er und betont, daß Streetlife 95 für alle offen ist: auch BMX-Freistil, Capoeira und Skaten stehen auf dem Programm. Gunnar Lützow
Heute bis Sonntag, je ab 15 Uhr, alle Veranstaltungen im Jugendzentrum PinkPong, Cuvrystraße 13/14, Kreuzberg, genauen Programmablauf dort erfragen, Telefon: 2588 2885
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