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■ GastkommentarKünftig kommt Ethik wieder vor Monetik

Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Wenn es ein Kollege (Kolleginnen gibt es in dieser Preisklasse kaum) geschafft hat, an einem Universitätsklinikum beispielsweise Chef einer Labor- oder Röntgenabteilung zu werden, dann wird er nicht nur Lebenszeitbeamter, sondern innerhalb eines Jahres auch Millionär.

Dies ist keine phantastische Geschichte, sondern ergibt sich aus den nüchternen Zahlen. 86 Professoren der beiden (West-)Berliner Universitätsklinika erhielten 1993 40 Millionen Mark Nebeneinnahmen, 15 Profs liegen über der Millionengrenze, ein Prof weit über 5 Millionen.

Das System der Nebeneinnahmen ist so clever organisiert, daß die entsprechenden Gelder auch fließen, wenn der Professor im Urlaub, auf Studienreise oder sonstwo ist, denn er kann seine gesamte Abteilung für sich arbeiten lassen. Je nach Höhe der Nebeneinnahmen mußten dafür bisher nur zwischen 20 und 40 Prozent abgeführt werden.

Da wird sich in Zukunft einiges ändern. Nach fast zwei Jahren heftiger öffentlicher Debatte um diese unhaltbaren Zustände hat das Parlament jetzt den Antrag auf Begrenzung der Nebentätigkeiten trotz des erbitterten Widerstands von Wissenschaftssenator Erhardt verabschiedet.

Nun wird sich zeigen, ob die von den Millionenverdienern angedrohte Auswanderungswelle nach Saudi-Arabien Wahrheit wird oder ob auch in den höheren Etagen des Medizinbetriebes die Ethik wieder vor der Monetik rangieren kann.

Nach der längst fälligen Entscheidung in Berlin werden die übrigen Länder jedenfalls nicht umhinkommen, ebenfalls die Millionenverdienste einzudämmen. Sonst können sie sich vor Bewerbungen von etablierten Chefärzten aus Berlin nicht mehr retten. Bernd Köppl

Bernd Köppl ist Mitglied des Abgeordnetenhauses für Bündnis 90/ Die Grünen und gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

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