Geldsegen für Dorfälteste

■ Bremerhavens Stadtverordnete belobigen sich selbst – mit 800 Mark monatlich

Eigenlob stinkt nicht, dachten sich offenbar einige scheidende Mandatsträger der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und belohnten sich auf ihrer letzten Sitzung mit einem tiefen Griff in die Stadtkasse. Mit Hilfe einer rot-schwarzen Koalition ließen sich am Donnerstag Richard Skribelka (SPD), Alfons Tallert (SPD), Friedrich Grote (SPD), Rolf Stindl (CDU), Karin Hoffmann (AfB) und Wolfgang Schröter (CDU) zu „Stadtältesten“ küren. Neben dem Titel winkt den „Ehrenbürgern“ nach ihrem Ausscheiden aus dem Stadtparlament jeden Monat ein „Ehrensold“ von 800 Mark bis zum Lebensende. Danach kassiert die Witwe oder der Witwer die Hälfte.

Eine großzügige Vergütung also, über deren Vergabe normalerweise die neu gewählten Stadtverordneten entscheiden. Daß die allerdings auch die Richtigen wählen würden, daran hatte Friedrich Grote, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, große Zweifel. Er schlug deshalb im Geschäftsordnungs- und Verfassungsausschuß vor, die Wahl vorzuziehen. Im Ausschuß stieß er bei der CDU/SPD Mehrheit auf freudige Zustimmung. Aus gutem Grund: Vier der jetzt gewählten „Ehrenbürger“ sitzen in eben diesem Ausschuß – Richard Skribelka (Fraktionsvorsitzender der SPD), Friedrich Grote (SPD-Vize), Rolf Stindl (Fraktionsvorsitzender der CDU) und der Stadtverordnetenvorsteher Alfons Tallert (SPD).

Daß aus dieser Vierer-Riege nur Grote und Stindl die formalen Voraussetzungen erfüllen und seit mindestens 20 Jahren im Stadtparlament sitzen, störte sie nicht: Schließlich gibt es ja noch den Passus der „begründeten Einzelfälle“.

Außer den Namen der Vierer-Riege wurde vor der Stadtverordnetenversammlung nur noch der langjährige Stadtverordnete Wolfgang Schröter (CDU) gehandelt. Sportdezernentin Karin Hoffmann (seit 20 Jahren Stadtverordnete) wurde auf der Stadtverordnetenversammlung) aus den Reihen der SPD vorgeschlagen – die Liste der „Ehrenbürger“ war komplett.

Peter Pletz von Grünen rügte die Wahl während der Debatte als „unanständig“. Die Entschädigung sei schließlich nur für berufliche Nachteile gedacht. „Dreiviertel aller Politiker hätten nie soviel verdient, wenn sie in die freie Wirtschaft gegangen wären. Herr Skribelka, Sie wären doch nie Syndikus der Wirtschaftskammer geworden.“ Skribelka schoß mit knallrotem Kopf von seinem Stuhl hoch. „Das muß ich mir nicht sagen lassen“, schimpfte er und verließ den Raum. Skribelka, der im Alter von 15 Jahren beim Magistrat in die Lehre ging, hatte eine steile Parteibuch-Karriere eingeschlagen und war als Gewerkschafter an den Job in der Wirtschaftskammer gekommen.

Der linke SPDler Werner Hoffmann beklagte „den beschämenden Tiefgang politischer Kultur“. Doch mit ihrer Kritik stießen die Grünen, die FDP und der linke Restflügel der SPD auf taube Ohren. Die „Ehrenbürger“ wurden gewählt – die Rechnung zahlen die SteuerzahlerInnen. Der Ehrensold schlägt mit jährlich 57.600 Mark zu Buche. Hinzukommen 163.200 Mark für die 17 „Stadtältesten“, die in der Vergangenheit gewählt wurden.

Doch auch angesichts des leeren Stadtsäckels sehen Skribelka und Grote keinen Grund zum Verzicht. „Wir haben uns nicht selbst ins Gespräch gebracht, wir haben nur den Tagesordnungspunkt vorgeschlagen“, betont Grote. „Durch meine politische Tätigkeit habe ich jede Menge Nachteile in Kauf genommen.“ Der Feierabendpolitiker Grote war als Personalratsmitglied der Städtischen Sparkasse jahrelang freigestellt.

„Ich denke, daß es ordentlich ist, daß diese Ehrungen ausgesprochen werden“, findet auch Skribelka. Er kassiert allein als Syndikus jeden Monat mindestens 8.435,21 Mark brutto. Hinzukommen 840 Mark Aufwandentschädigung für das Stadtverordnetenmandat und die Tantiemen als Aufsichtsratsmitglied in mehreren städtischen Gesellschaften. Angeblich sollen das bis zu 400 Mark monatlich sein, von denen 30 Prozent in die Parteikasse fließen. Als Ehrenbürger bekommt er jetzt noch 800 Mark dazu. „Was für die anderen recht ist, ist für mich billig – ich kann doch nichts dafür, daß ich vorgeschlagen worden bin.“ kes