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Auch für Freunde der Toskana

■ Ein Reisebuch zu Südtirol gegen das verstaubt-deutschtümelnde Image der Region

„Südtirol ist nicht mehr das „Tirol südlich des Brenners“. Südtirol ist Südtirol.“ Dieses Zitat von Reinhold Messner steht als Motto über Christiane Hauchs und Reinhard Kuntzkes Reisebuch. Daß dieser banal anmutende Satz programmatisch gemeint ist, wird allerdings nicht jede/r sofort erkennen. Man muß schon ein paar andere Südtirol-Führer in der Hand gehabt haben, um zu ahnen, mit welcher Sichtweise die beiden nichts zu tun haben möchten: Fast immer fällt der Blick von Norden auf die nördlichste Provinz Italiens, wird nur gesehen, was ein Deutscher in diesem heimatlichen Ausland entdeckt, geht man von einem Publikum aus, das nur deshalb nach Südtirol fährt, um nicht nach „Italien“ zu fahren. So bleibt das Verbindende oftmals unberücksichtigt, wird die Realität der Zweisprachigkeit nur beiläufig erwähnt – und der enorme Innovationsschub nach 1918 auf das Faktum der politischen Bevormundung aus dem Süden verkürzt.

Reinhard Kuntzke und Christiane Hauch halten sich von dieser allzu naheliegenden Geschichtsschreibung fern. Statt als geographische Verlängerung Tirols betrachten sie das Land als eine Region zwischen Nord und Süd mit ihren Eigenheiten und Besonderheiten – ganz so, wie es ein erheblicher Teil der jüngeren Südtiroler inzwischen auch tut. In deutschnationalen Kreisen Südtirols hat sich das Autorenduo damit natürlich keine Freunde gemacht. Hier übersieht man den entscheidenden Vorteil dieser „offeneren“ Darstellung: Das Reiseland wird auf diese Weise nämlich auch jenem Publikum schmackhaft gemacht, das sonst immer nur daran vorbeifährt – hinunter in die „Geheimtipzonen“ der Toskana, wo sich die deutsche Alternativbourgeoisie regelmäßig versammelt.

Darüber hinaus hat das Büchlein aber auch noch ganz banale Vorzüge. Insbesondere den Vorteil, daß essayistische Exkurse der Aneinanderreihung von Sehenswertem etwas von ihrer Trockenheit nehmen. In diesen Exkursen geht es um „dunkle Kapitel“ der Geschichte Südtirols (wie z.B. die „Option“ der Südtiroler für das nationalsozialistische Deutschland), die gegenwärtige Krise der Bergbauernwirtschaft, die doppelgesichtige Rolle des Tourismus, aber auch um Südtiroler Kultfiguren wie Reinhold Messner, Luis Trenker und Andreas Hofer, dem allzeit gefeierten „Freiheitshelden“ im Dienste des ultrakonservativen habsburgischen Österreich. Auch der immer mal wieder „vergessene“ Führer des Bauernaufstands, Michael Gaismair, wird darin erwähnt. Der systematische Teil, in dem alle Städte und Talschaften Südtirols portraitiert werden, zeugt von kompetenten Recherchen und bringt gute Informationen.

Wer will, kann natürlich das Fehlen jener „Insider-Tips“ reklamieren, mit denen Autoren die Unersetzlichkeit ihrer Beiträge unter Beweis zu stellen pflegen. Andere werden sich über diesen „Mangel“ freuen: In einem Land, über das derzeit nicht weniger als 30 deutschsprachige Reiseführer lieferbar sind, geht es längst nicht mehr um die Erweiterung des touristischen Zugriffs, sondern um dessen Begrenzung: Solange den Einheimischen ein paar Nischen bleiben, wird man wenigstens ab und zu noch in ein Gasthaus geraten, in dem nicht „gejaust“ wird, wie es im germanischen Touristenjargon heißt. Gerhard Fitzthum

Christiane Hauch, Reinhard Kuntzke: „Südtirol“, DuMont- Verlag (Reihe Reise-Taschenbuch), Köln 1994, 250 Seiten, mit zahlreichen Abb., Stadtplänen und Kartenskizzen, 19,80 DM

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