: Böcke gärtnern im Regenwald
Vierter Tropenwaldbericht meldet Erfolglosigkeit und träumt von „nachhaltiger Nutzung“ / Bündnisgrüne verlangen Konsequenzen ■ Aus Bielefeld Helmut Hagemann
Die Tropenwaldpolitik der Bundesregierung ist praktisch erfolglos geblieben. Dies ist die Quintessenz des vierten Tropenwaldberichts, den die Bundesregierung unter Federführung des Landwirtschaftsministeriums verabschiedet hat. Absichtserklärungen und Glaubensbekenntnisse überwiegen, während kaum etwas über vollzogene Maßnahmen oder erfolgversprechende Initiativen berichtet wird.
Wichtigstes Handlungsfeld der deutschen Tropenwaldpolitik ist die Entwicklungszusammenarbeit. Dort hat sich die Regierung gleich mit einer Falschmeldung blamiert. 1993 und 1994 seien jeweils rund 270 Millionen Mark für Forstprojekte ausgegeben worden, so die offizielle Pressemitteilung. Richtig ist aber, daß diese Beträge für Tropenwaldprojekte nur zugesagt worden sind. Hinter den Sollzahlen verbirgt sich ein gewaltiges Vollzugsdefizit: Für Brasilien etwa waren 150 Millionen Mark Finanzhilfe zugesagt, bis Januar 1995 aber nur 3 Millionen Mark ausgegeben worden, ohne daß damit nur ein einziger Quadratmeter Wald geschützt werden konnte. Für die Elfenbeinküste waren 40 Millionen Mark Finanzhilfe versprochen, aber nur 4 Millionen gezahlt worden.
Die offizielle Politik hat eine starke Tendenz zur Förderung von Vorhaben der Holz- und Forstwirtschaft, während Ansätze zur Abwehr zerstörerischer Nutzung in den Hintergrund treten. Dabei räumt die Regierung selbst ein, daß die Forstwirtschaft in den Tropen heute nur in Ausnahmefällen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sei. Nach Meinung vieler Fachleute ist bisher nur die traditionelle Waldnutzung der Ureinwohner dauerhaft umweltverträglich. Dennoch hält es die Bundesregierung mit missionarischem Eifer für „zwingend erforderlich“, mit deutschen Steuergeldern nachhaltige Forstwirtschaft in den Tropen durchzusetzen. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen führen dieses Engagement auf den Einfluß der Tropenholzlobby zurück.
Minister fürchten „Boykottmaßnahmen“
So betonen auch Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) und Entwicklungsminister Carl- Dieter Spranger (CSU), daß „die Tropenländer weiterhin Zugang zu den internationalen Holzmärkten“ haben müßten, um dort Forstprodukte aus nachhaltiger Bewirtschaftung absetzen zu können. Die Minister ergänzen, daß „Boykottmaßnahmen diese Entwicklung gefährden“ könnten. Damit geben sie den Tropenholzimporteuren Schützenhilfe, die die Verzichtskampagnen zu spüren bekommen.
In diesem Sinne ist auch die Förderung einer freiwilligen Kennzeichnung für „nachhaltig“ erzeugtes Tropenholz eines der Hauptziele. Wenn „Verbraucher von Tropenholz künftig Aspekte der Walderhaltung in ihre Kaufentscheidung einbeziehen können“, so die Vorstellung der Bundesregierung, soll dies dazu beitragen, „auf freiwiliger Basis nur noch Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung“ einzuführen. Um Einwänden vorzubeugen, daß dieser Marketingansatz keine angemessene Antwort auf die schonungslose Realität in den Einschlagsgebieten darstellen könnte, verniedlicht der Regierungsbericht mit Taschenspielertricks von vornherein die Destruktivität des Tropenholzeinschlags.
Die Regierung kennt auch keine Hemmungen, die Beseitigung von Handelsbeschränkungen in den internationalen Zollverhandlungen als Voraussetzung für Tropenwalderhaltung zu bezeichnen. Dabei ist der Handel mit Tropenholz, Eisenerz, Rindfleisch und Agrarprodukten seit Jahrzehnten eine der Hauptursachen für die Entwaldungen. Durch welche Mechanismen ein „dynamischer Welthandel“ und „globale Wachstumsimpulse“ nun walderhaltende Wirkungen entfalten sollen, erklärt die Bundesregierung nicht.
Auf internationaler Ebene unterstützt die Bundesregierung Vorbereitungen zu einer Waldkonvention im Rahmen der UNO- Kommission für nachhaltige Entwicklung. Umweltschützer befürchten allerdings, daß solche Vereinbarungen zu einer einseitigen Waldnutzungskonvention geraten könnten. Denn Holzproduzenten wie Malaysia und Indonesien wollen sich nicht zu einer umwelt- und sozialverträglichen Tropenwaldpolitik verpflichten. Auch der Vorsitzende der zuständigen UN-Kommission, der brasilianische Bergbauunternehmer und frühere Umweltminister Cavalcanti, hat eher als Waldzerstörer denn als Waldschützer von sich reden gemacht. Angesichts ihrer verengten wirtschaftlichen Orientierung ist offen, ob die Bundesregierung auf diesen Prozeß positiven Einfluß nehmen will, indem sie sich etwa für eine höhere Bewertung des regionalen und globalen ökologischen Nutzens der Tropenwälder engagiert.
Die Mängel und Widersprüche der deutschen Tropenwaldpolitik bewegten schon im letzten Jahr die Klimaenquetekommission des Bundestages dazu, wesentliche „Korrekturen und Ergänzungen“ zu fordern. Nun geht von den Bündnisgrünen eine neue parlamentarische Initiative aus. Mit einer Großen Anfrage im Bundestag erkundigen sie sich nach Konsequenzen aus der bisherigen Erfolglosigkeit. Bei der Debatte über die Anfrage wollen sie dann auch über die Beteiligung der Bundesrepublik an der anhaltenden Tropenwaldvernichtung diskutieren.
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