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Wieviel Grün läßt sich Rot noch abringen?

Bei den Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen fällt am Wochenende die Entscheidung  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) – Manchmal fassen sich die SPD-Unterhändler nur noch an den Kopf. Da haben sie eine Formulierung gefunden, die sich schon rein logisch aus der zuvor gemeinsam formulierten Asylpolitik ergibt – „nicht jeder kann ein Bleiberecht beanspruchen“ – und dann prangt dort am Rand doch wieder das Wort „Dissens“. Nun, am Freitag morgen war dieser Spuk schnell vorbei. Die grüne Verhandlungskommission kassierte den „Dissens“, den ihr innenpolitischer Fachmann angemeldet hatte, und der Friede war wiederhergestellt. Seit Wochen arbeitet man sich Punkt für Punkt vor, ein mühsames Ringen, begleitet von einem schrillen öffentlichen Getöse, vor allem in den Regionalblättern des Landes. Je näher das Verhandlungsende in Sicht kommt, um so häufiger wird das Scheitern des rot-grünen Paktes beschworen. Überregional nutzt vor allem die Welt jeden Streit genüßlich aus, um das Ende zu prophezeien. Noch gestern verbreitete das Springer-Blatt mit Blick auf die ungeklärten Finanzfragen, die Verhandlungen stünden „offenbar kurz vor dem Scheitern“. Erst war es der Müll, dann der Straßenbau, dann die Luftverkehrs- oder die Asyl-, Bildungs- und Chemiepolitik, Material, um Krach zu schlagen, fand sich immer. Dabei spielte der einstige Umweltminister und neue SPD-Fraktionsvorsitzende KLaus Matthiesen als Büchsenspanner im Hintergrund ein ums andere Mal kräftig mit.

Doch am Verhandlungstisch kamen sich beide Parteien stetig näher. Gestern war auch eine Lösung im Flughafenstreit in Sicht. Es wird wohl auf eine „Lärmkontigentierung“ für die internationalen Flughäfen in Köln und Düsseldorf hinauslaufen. Im Klartext: Werden die Flieger leiser, kann es mehr Starts und Landungen geben.

Lösungen zeigen sich auch bei den Abschiebehaftplätzen und der Haftdauer ab. Zur Zeit gibt es 1.100 Plätze in NRW. Die Grünen wollen runter auf 250. Weil im Durchschnitt aber ohnehin nur knapp 600 belegt sind, wird man sich relativ leicht einigen können. Auch die von den Grünen geforderte Begrenzung der Abschiebehaft – im Gespräch ist eine Frist von höchstens drei Monaten – dürfte es am Ende geben. Profitieren würden davon vor allem Algerier und Inder, die zum Teil weit länger in Haft sitzen. Im Durchschnitt liegt die Abschiebehaft bei etwa 30 Tagen.

Umstritten ist noch eine „Altfallregelung“ für abgelehnte Asylbewerber und das selbständige Aufenthaltsrecht für Kinder und Jugendliche, die länger als drei Jahre in Deutschland leben.

Weder daran noch am Kampf um zusätzliche Lehrerstellen werden die Verhandlungen scheitern. Hier bietet auch die SPD inzwischen einen „Einstellungskorridor“ an. Der Streit geht nur noch um die Zahl: 500 (SPD) oder 1.000 (Grüne). Was bleibt, ist der Konflikt um das Braunkohletagebauprojekt Garzweiler II. Die Planungen dafür müssen nach Meinung der SPD weitergehen.

Garantiert werden soll dabei gleichzeitig aber die jederzeitige Rückholbarkeit des Projekts für den Fall, daß die von der neuen Koalition angestrebte „Energiewende“ zu einer nachhaltigen Reduktion des Stromverbrauchs führt. In bezug auf die Umsiedlung ist ein Moratorium denkbar. Fragt sich nur, ob die Grünen diese Hürde nehmen können, ohne daß die Parteibasis rebelliert?Kommentar Seite 10

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