Lesben und Schwule vereint

■ Nordwestdeutsche Homo-Parade zum Christopher-Street-Day - Na und?

Oldenburg. Bescheiden waren die Oldenburger Homos nie. „Da überholt die Provinz die Metropole“, werben sie stolz für ihre Feten und verweisen auf eine eigene Zeitung, ein eigenes Zentrum, eine Vielfalt von Gruppen. Seit Samstag gibt es einen Grund mehr zum Protzen: Zum ersten Mal in der 650jährigen Geschichte Oldenburgs zogen Schwule und Lesben in einer schrillen, bunten und lauten Parade durchs Städchen und feierten sich selbst zum Christopher Street Day –95 (CSD). Vorneweg griente Oldenburgs schwul-lesbischer Verein „Na Und“ auf dem Transparent: „650 Jahre Lesben und Schwule in Oldenburg – 10 Jahre Na Und – e.V.“ Hernach marschierten, tanzten und hüpften lt. Polizeiangaben rund 500, nach Veranstalter-Zählung mehr als 800 Schwule und Lesben im Jahr des Oldeburger Stadt-Jubiläums durch das Stadttor am Heiligengeistwall.

„Und das alles wegen der Jungs“, erläuterte das Motto des Uni-Schwulenreferatres den verduzten OldenburgerInnen; „come to get her“, forderte das FrauenLesben-Cafe der uni; „manchmal steh– ich sogar nachts auf und hol mir eine“, gestand das Oldenburger Lesbentelefon. Aus Emden, Wilhelmshaven, Syke, Hesel und Leer waren die DemonstrantInnen angereist, die Nummernschilder der „Dykes on Bykes“ verwiesen auf Vechta und Cloppenburg. Sie kamen in Leder und im Fummel, mit Treckern und Bollerwagen, mit Transparenten, Flugblättern und Trillerpfeifen, forderten „Unser Dorf soll schwuler werden“ und brachen jäh in die Gediegenheit des Städtchens ein.

Die Jungs vom Bremer Rat- und Tat-Zentrum hatten ihre halbnackten Körper in den Farben des Regenbogens bemalt und warfen vier Kilo Konfetti in die Menge. Auf dem Wagen der Oldenburger schul-lesbischen Jugendgruppe grüßten Ernie und Bert aus der Sesamstraße das heterosexuelle Volk am Rande. Und das staunte. „Wußte gar nicht, daß es sowas hier gibt“, meinte ein Rentner, „was sind das für fröhliche Menschen“, die Frau an seiner Seite. Georg, der für „Na Und“ Flugblätter verteilte, machte jedoch auch ganz andere Erfahrungen: „Einige zeigten den ausgestreckten Mittelfinger und schlugen mir die Zettel aus der Hand.“

Knapp zwei Stunden brauchte die Parade vom Bahnhof bis zum Schloßplatz, wo CSD-Sprecher Carsten Schuck politische Regelungen forderte, um die „rechtliche Benachteiligung von Lesben und Schwulen endlich zu beenden“. Dazu müsse man den „Stammtischbrüdern kräftig auf die Finger klopfen“. Christina Schenk (PDS), einzige offen lebende Lesbe im Bundestag, rief zu offensiven Aktionen auf: „Es bewegt sich nur was durch Provokationen auf allen Ebenen“. Wolfgang Wulf, heterosexueller Landtagsabgeordneter der niedersächsischen SPD, bewunderte „Mut und Zivilcourage der Lesben und Schwulen der ländlichen Region“, um sich gleich darauf mit einer Bemerkung gegen den „Separatismus“ in der Bewegung ins Fettnäpfchen zu begeben. Mit dem Verweis auf die geplante Gesetzesinitiative der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion zur Regelung lesbisch-schwuler Partnerschaften konnte er sich jedoch den Applaus wieder sichern.

Bis zum frühen Abend noch feierten die nordwestdeutschen Schwulen und Lesben ausgelassen zu Chansons von Jo Sievers, Travestie von Petra Dorén und Montana Falvinis Pop und Schlagern. Der Oldenburger CSD, ursprünglich geplant um zu retten, was in Bremen im vergangenen Jahr mit kläglicher Demo und internem Streit verbockt worden war, hat für den CSD-Sprecher Schuck mit seinem Konzept der Vielfalt und Zusammenarbeit neue Maßstäbe in der Region gesetzt: „Von wegen Oldenburger Käse. Das war allererste Sahne. Jens Breder