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„Fünfzehn Jahre Marathonlauf sind zu lang“

■ Cornelia Schmalz-Jacobsen, Ausländerbeauftragte des Bundes, zu den Erleichterungen, die die Türkei für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft geschaffen hat

taz: Frau Schmalz-Jacobsen, die Türkei hat vergangene Woche auch die letzten rechtlichen Hindernisse für ihre Bürger, die eine andere Staatsbürgerschaft annehmen wollen, abgeschafft. Wie wollen Sie jetzt Ihrem Koalitionspartner CDU/CSU erklären, daß eine Reform des Einbürgerungsrechts nach wie vor nötig ist?

Schmalz-Jacobsen: Zunächst einmal freue ich mich für die Türken, wenn diese neuen Regelungen in der Türkei denn auch tatsächlich so umgesetzt und vollzogen werden, wie sie in dem neuen Gesetz beschlossen worden sind.

Wird der Forderung nach doppelter Staatsbürgerschaft damit nicht der Wind aus den Segeln genommen?

Die Mehrstaatlichkeit ist ja nicht nur ein Problem der Türken. Sie betrifft auch andere Ethnien. Der Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft ist damit sicher entschärft – er hat in meinen Augen ohnehin nicht erste Priorität – aber das Thema ist nicht vom Tisch. Inzwischen nimmt die Praxis schon sehr viel weniger Rücksicht auf die grundsätzliche Lage unserer Gesetze. 1993 zum Beispiel wurden zwei Drittel aller eingebürgerten Türken unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft eingebürgert. Das Ausländergesetz sieht als Kann-Bestimmung in Härtefällen die doppelte Staatsbürgerschaft vor. Offenkundig wird diese Regelung von den Bundesländern häufig angewandt, was ich begrüße. Dennoch muß die Einbürgerung in Deutschland deutlich erleichtert werden. Der Marathonlauf von 15 Jahren, bis ein Anspruch auf Einbürgerung besteht, ist zu lang. Darüber hinaus geht es um die dritte Generation ausländischer Kinder, die nach dem Koalitionsvertrag nur eine Staatszugehörigkeit bekommen sollen. Hier bin ich eindeutig für eine ganz klare Regelung der Staatsangehörigkeit für Kinder, wo ein Elternteil schon in der Bundesrepublik geboren wurde. Und das ist schon ein Kompromiß. Meine persönliche Meinung ist, daß alle Kinder, deren Eltern ein Daueraufenthaltsrecht haben, das ius soli erhalten sollten.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Marschewski, hat das gerade abgelehnt und erklärt: „Maßnahmen, die auf eine stärkere Einwanderung hinauslaufen, wird es mit uns nicht geben.“ Wie wollen Sie in der Debatte um Einbürgerung da etwas bewegen?

Ich habe den Eindruck, es bewegt sich sehr wohl etwas, das wird ja sogar im Koalitionsvertrag deutlich. Aber man sollte Einwanderung und Einbürgerung gut auseinanderhalten. Wir haben seit langem eine Einwanderung, und wir haben das negiert. Jetzt sind wir um so mehr gehalten, eine Einwanderungsfolgegesetzgebung zu schaffen. Wir haben da verschiedene Torsi herumliegen, aber es ist immer noch nicht klar, wie wir mit dieser Frage als Gesamtkonzept umgehen.

Vielleicht bringt das Gesetz aus der Türkei Bewegung in die Einbürgerungspraxis und -bereitschaft in Deutschland?

Es wird sich mit Sicherheit etwas verändern. Ich rechne damit, daß wir deutlich mehr Einbürgerungsanträge bekommen werden. Wie viele, ist Spekulation. Bei den Türken werden zwei Faktoren dazu beitragen, daß die Anträge steigen: Die Zeit schreitet weiter fort, und immer mehr türkische Staatsbürger werden sich darüber klar, daß sie hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Daß außerdem jetzt die Türkei einige Hindernisse aus dem Weg geräumt hat, wird von vielen Türken als große Erleichterung verstanden werden.

Die Aufgabe der alten Staatsbürgerschaft ist für Migranten nicht nur eine Frage von rechtlichen und materiellen Vor- oder Nachteilen, sondern auch eine Frage der Identität.

Richtig. Das wird sich auch weiter bemerkbar machen, denn viele möchten nicht von einem Tag auf den anderen für ihre Familie, für ihre Eltern zu Ausländern werden. Genau deshalb ist ja auch die Doppelstaatsbürgerschaft weiter ein Thema. Interview: Vera Gaserow

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