Rot-grüner Poker in NRW dauert an

■ Bei den Koalitionsverhandlungen wurden einige Brocken beiseite geräumt / Das Ende der Debatte um den Braunkohletagebau Garzweiler II ist noch offen

Düsseldorf/Bonn (taz) – Das Ringen um die – zeitweise – 350 Seiten umfassende Koalitionsvereinbarung in Nordrhein-Westfalen ging bis in die frühen Abendstunden. Kompromisse auf breiter Front zeichneten sich ab. Nur bei dem umstrittenen Braunkohleprojekt Garzweiler II tat sich bis Redaktionsschluß nichts. Anders als ursprünglich geplant werden die Verhandlungen auf jeden Fall heute weitergehen.

Den bis zuletzt hochgepuschten Dissens über die zukünftige Haushaltspolitik hatten die Unterhändler der beiden Parteien schon am Samstag in kleiner Runde ausgeräumt. Die Partner in spe wollen die Neuverschuldung von jetzt rund 6 Milliarden Mark bis zum Jahr 2000 drastisch auf eine Milliarde drücken.

An freien Mitteln stehen deshalb im ersten Jahr lediglich rund 600 Millionen Mark für Reformprojekte zur Verfügung. Als eine „für uns ganz, ganz bittere Pille“, bewertete ein grüner Unterhändler die Zustimmung zu diesem Finanzrahmen, der im wesentlichen auf die Zahlenvorgaben des sozialdemokratischen Finanzministers Heinz Schleußer fußt.

Weitgehende Kompromisse zeichneten sich gestern im Verkehrs- und Flughafenbereich ab. So solle der Regionalflughafen in Essen/Mülheim geschlossen und der von Mönchengladbach nicht ausgebaut werden. Dafür akzeptieren die Grünen „unter großen Schmerzen“, so die Verkehrsexpertin Gisela Nacken, für den Düsseldorfer Flughafen 91.000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres. Dagegen laufen Bürgerinitiativen seit Jahren Sturm. Zusätzlicher Flugverkehr soll vor allem über den Airport Köln/Bonn abgewickelt werden.

Heftig umstritten war gestern weiterhin dessen ICE-Anbindung. Während die SPD eine etwa eine Milliarde Mark teure ICE-Trasse durch das Naturschutzgebiet Wahner Heide fordert, wollen die Grünen einen ICE-Bahnhof in Köln- Porz. Dort sollen die Fluggäste einchecken und dann mit einer Kabinenbahn zur vier Kilometer entfernten Abflughalle pendeln. Ein billigeres und weniger naturverbrauchendes Konzept.

Ganz zufrieden äußerte sich gestern der innenpolitische Sprecher der Grünen, Roland Appel, über den Fortgang der Verhandlungen im Innen- und Justizbereich. Hier sei das Fundament für eine „wirkliche Reformpolitik“ gegossen worden. So würden zahlreiche neue Möglichkeiten für den haftmindernden Täter-Opfer-Ausgleich geschaffen, die Rasterfahndung enger gefaßt, und das nach Niedersachsen „zweitbeste Verfassungsschutzgesetz“ sei fest verabredet. Walter Jakobs