„Auch Mauern können noch viel erzählen“

■ Vestermanis bei Temmen: Ein Wegweiser durch die jüdische Geschichte Rigas

Knapp 30.000 Menschen lebten 1941 hinter dem Stacheldraht des Großen Ghettos von Riga - der größte Teil waren Frauen, Kinder, alte und gebrechliche Menschen. Am 30. November und am 8. Dezember wurden sie zusammengetrieben und in Rumbula bei Riga ermordet. Um die Spuren des Verbrechens zu verwischen, ließ das SS-Sonderkommando 1005 die Massengräber im Sommer 1944 wieder ausgraben und die Überreste der Opfer verbrennen. Die Knochen wurden mit speziellen Knochenmühlen zermahlen.

„50 Jahre lang hat man uns verwehrt, unserer Ermordeten zu gedenken, und noch heute ist die Judenverfolgung ein verdrängtes Kapitel in Riga“, sagt Margers Vestermanis, Leiter des Dokumentationszentrums in Riga. Er ist Autor des Buches „Juden in Riga“, ein Wegweiser zu den Spuren einer ermordeten Minderheit, der jetzt im Bremer Verlag Edition Temmen erschienen ist. „Erst als Lettland wieder ein eigener Staat wurde, gab es wieder die theoretische Möglichkeit, sich diesem Thema zu widmen.“

Doch in der Praxis harpert es an Geld und technischen Gerätschaften – die Idee, einen Wegweiser zu den Stätten jüdischer Geschichte in Riga zu veröffentlichen, stand auf tönernen Füßen. Deshalb entschloß sich Helga Trüpel, Noch-Senatorin für Kultur und Ausländerintegration, das Projekt zu unterstützen als sie letztes Jahr im Herbst in Bremens Partnerstadt zu Gast war. Das Ressort stellte 2.500 Mark für das Buchprojekt zur Verfügung, weitere 2.500 Mark kamen durch Sponsoren zusammen. 1990 war bereits eine englische Version des Wegweisers erschienen. „Doch an eine deutsche Ausgabe hätte ich nie geglaubt“, freut sich Margers Vestermanis.

1944 lebten noch 175 Juden in Riga. 1935 waren es 43.672 – die meisten wurden von den Nazis umgebracht, fielen dem stalinistichen Terror zum Opfer oder starben im Krieg. Das Buch lädt zu einem traurigen Rundgang durch die jüdische Geschichte Rigas ein. Es beschreibt die Ghettos, die Verstecke von Juden und Widerstandskämpfern und den Ort, an dem die Insassen des Rigaer Ghettos ermordet wurden. Er liegt in einem lichten Wäldchen an einer Eisenbahnstation. Von vielen Stätten „sind nur Mauern übriggeblieben“, weiß Vestermanis. „Aber auch sie können noch vieles erzählen.“ kes