■ Buchtip: Schönheit der Dichte
Als „Ästhetik der Dichte“ stellt Vittorio Magnago Lampugnani, bis vor kurzem Direktor des Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt, Hongkongs boomende Beengtheit dar. Das von ihm herausgegebene Buch zielt auf Visualisierung. Zehn schwarzweiße Photographien von Patrick Zachmann bieten in ihrer bewußten Zufälligkeit einen angenehmen Kontrast zur Hochglanz- präsentation von zwölf größeren Bauprojekten (unter anderem Bank of China, Lippo-Centre, der neue Flughafen). E. G. Pryor, Chef des Hongkonger Planungsamtes, skizziert die Entwicklung der Stadt. Gegen diesen zwar umfänglichen, aber drögen Beitrag setzt sich Tilman Spenglers kritisch-distanzierte Beobachtung zur „Beherrschung der Dichte“ wohltuend ab. Das eigentliche Problem des Buches aber können auch die wohlformulierten Beiträge nicht übertünchen: Ein angemessenes Niveau der Diskussion über das Phänomen „Hongkong“ wird man nicht ausschließlich aus der Eindrücklichkeit von Bildern gewinnen und durch sie sichern können.
Zwar schlägt das Buch „City of Darkness. Life in Kowloon Walled City“ von Greg Girard und Ian Lambot in die gleiche Kerbe. Dennoch ist dieser Versuch, eine Bilderwelt vorzustellen, weitaus besser geglückt. In sechs Aufsätzen, 32 Interviews und 320 Photographien wird die einzigartige, komprimierte Struktur der Walled City detailreich festgehalten. Wie und warum sie entstanden ist, unter welchen Bedingungen Migranten und Ausgegrenzte hier lebten – auf solche Fragen wollen die Autoren antworten. Peter Pophams kurzer Essay bildet dafür eine gute Einleitung. Wenn Charles Goddard über die Wasserversorgung oder den Abriß der Walled City berichtet, so ist das weit weniger prosaisch, als es klingt. Leung Pingkwan erzählt die Geschichte einer Freundin, die hier lebte, und evoziert, mit wenig Aufwand, eine zugleich besondere und alltägliche Welt. Julia Wilkinsons geschichtlicher Abriß des ehemaligen Forts sowie Chan Hip Pings Porträt eines Vertreters der Bürgerorganisation vervollständigen die schmale, aber facettenreiche Aufsatzsammlung. Die hier gezeigten Photos sind im selben Maße beredt, wie der Inhalt zu fesseln vermag: Sie sind suggestiv, vielleicht tendenziös – jedenfalls ein Plädoyer dafür, die Walled City als Lebensraum mit eigenen Qualitätsbegriffen wahrzunehmen. Gleichzeitig aber sind sie in ihrer Gesamtheit ein unwiderbringliches Dokument: schonungslos offen und treffend. Robert Kaltenbrunner
„City of Darkness. Life in Kowloon Walled City“. Von Greg Girard und Ian Lambot. Verlag ernst & sohn, Berlin 1993, 220 Seiten, 200 farbige Abb., 110 DM
„Hongkong Architektur. Die Ästhetik der Dichte“. Hrsg. von Vittorio Magnago Lampugnani. Prestel Verlag, München 1993, 160 Seiten, 209 Abb., davon 92 in Farbe, 98 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen