Parlamentswahlen in Haiti im völligen Chaos

■ Fehlende Wahlzettel und Überfälle / Wahlbeteiligung unter 50 Prozent

Port-au-Prince (AFP/AP) – Schwere organisatorische Pannen und zahlreiche Unregelmäßigkeiten haben Zehntausende HaitianerInnen daran gehindert, an den ersten freien Wahlen nach dem Sturz der Militärjunta teilzunehmen. Wie internationale WahlbeobachterInnen gestern in der Hauptstadt Port-au-Prince angaben, lag die Beteiligung bei der ersten Runde der Parlaments- und Kommunalwahlen kaum über 50 Prozent. Mit Ergebnissen wird erst in etwa zehn Tagen gerechnet.

Oppositionspolitiker warfen dem Provisorischen Wahlrat (CEP) vor, bei der Organisation versagt zu haben. In einigen Lokalen fehlten Wahlunterlagen, mehrere Büros mußten nach Zwischenfällen geschlossen werden. Regen Zustrom zu den Urnen verzeichneten die BeobachterInnen in den Armenvierteln des Karibikstaats, wo Präsident Jean-Bertrand Aristide die meisten AnhängerInnen hat. 3,5 Millionen HaitianerInnen waren wahlberechtigt.

Die BeobachterInnen forderten eine bessere Organisation des zweiten Wahldurchgangs am 23. Juli. Spätestens dann müsse gewährleistet werden, daß alle Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen können, sagte ein Beobachter in Port-au- Prince. Die Organisatoren der Wahl seien zu unerfahren und überfordert gewesen. Nach Angaben des Sprechers der UN-Mission in Haiti (UNMIH), Eric Falt, mußten im Norden des Landes drei Wahlbüros nach Zwischenfällen geschlossen werden. In der Stadt Limbé, 240 Kilometer nördlich von Port-au-Prince, waren in einem Wahllokal durch Brandstiftung etwa 30.000 Stimmzettel vernichtet worden. In dem Ort Borgne seien schon am Freitag abend sieben der acht Wahlurnen gestohlen worden, sagte Falt.

Forderungen nach Wahlwiederholung wurden dennoch von Jessie Manigat, der Generalsekretärin des Landeswahlrats, zurückgewiesen. Der Vorgang sei unumkehrbar, sagte sie, räumte aber ein, daß es Probleme gegeben habe. Am Nachmittag ordnete der Wahlrat eine Fortsetzung der Wahl über 18 Uhr hinaus an. Manche Wahllokale blieben daraufhin länger offen, jedoch wurden im Fernsehen auch Lokale gezeigt, die um 18 Uhr schlossen und mit der Auszählung begannen.

Es wird allgemein erwartet, daß das von Aristide unterstützte linksgerichtete Parteienbündnis Lavalas als Sieger aus den Wahlen hervorgeht. Das haitianische Parlament wurde bislang von der Opposition dominiert, im Senat hat Aristide, der vor acht Monaten unter dem Schutz der US-Invasion nach Haiti zurückgekehrt war, nur eine knappe Mehrheit.