Nachgefragt
: „VW-Modell nicht ohne Neueinstellungen“

■ DGB-Chefin Ziegert über Koalitions- Pläne der Arbeitszeit-Verkürzung

taz: Die Große Koalition möchte im Öffentlichen Dienst pro Jahr Arbeitskraft im Umfang von 500 Stellen einsparen. Geht das überhaupt?

Helga Ziegert (Bremer DGB-Vorsitzende): Das ist die Frage. Denn einerseits müssen ja trotzdem die Dienstleistungen für die Bürger erbracht werden. Und andererseits fragt sich, ob es aus arbeits-, dienst- und tarifrechtlichen Gründen geht. Das wird man sehr genau überprüfen müssen.

Scherfs Idee ist eine Art VW-Modell für den Öffentlichen Dienst. Wären die Gewerkschaften über eine solche Arbeitszeitreduzierung ohne vollen Lohnausgleich verhandlungsbereit?

Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes waren zu so etwas auch bisher schon bereit, wenn es darum ging, Neueinstellungen zu ermöglichen. Das ist angesichts der Arbeitslosigkeit dringend erforderlich. Aber Verhandlungen sind natürlich keine Einbahnstraße. Wenn solche Opfer von den Beschäftigten erbracht würden, dann müßten dafür auch Gegenleistungen erbracht werden.

Was denn zum Beispiel?

Ohne Neueinstellungen wird es nicht gehen. Und dann würden wir natürlich gerade in der Großen Koalition die Frage stellen, welche Gegenleistungen denn von der Seite des CDU-Klientels erbracht werden. Also wie sieht es zum Beispiel mit der Bereitschaft der Unternehmerseite aus, wichtige Infrastrukturvorhaben in Bremen zu finanzieren – von Kindergärten über Altentagesstätten bis hin zu einem Ausbildungsfonds zur Behebung der Jugendarbeitslosigkeit oder einen Technologiefonds zur Modernisierung der bremischen Wirtschaft?

Das heißt, nach den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU kommen jetzt die Koalitionsverhandlungen mit den Gewerkschaften?

So würde ich das nicht nennen; aber wenn man von den Gewerkschaften was will, dann muß man ihnen auch was geben.

Der DGB-Kreisvorstand bezeichnet die Ressortaufteilung der Großen Koalition als arbeitnehmerfeindlich. Warum?

Das geht weder gegen Bremerhaven noch gegen Beckmeyer. Aber wir haben den Eindruck, daß in den Koalitionsverhandlungen das Arbeitsressort als Restgröße behandelt worden ist, die man diesem oder jenem zur Auffüllung seines Kompetenzbereichs gegeben hat – ohne eine inhaltlich sinnvolle Anbindung des Arbeitsressorts zu finden. Wir hätten die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialressort bei starker Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsressort für sinnvoll gehalten. Also kein Anhängsel an einen ganz anderen Arbeitsbereich. Für uns war die Entscheidung ein Ausdruck dafür, daß dem Arbeitsressort in der Großen Koalition der denkbar geringste Stellenwert zugeordnet wird. Und auch nach der Besetzung des Wirtschaftsressorts haben wir die größten Bedenken, ob die gewerkschaftlichen Vorstellungen zur Behebung der Arbeitslosigkeit sich irgendwo noch wiederfinden. Fragen: Dirk Asendorpf