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Der letzte Strohhalm

■ Im Braunkohlegebiet Garzweiler II dominiert noch das Prinzip Hoffnung

Zweimal in der Woche arbeitet Gisela Irving (59) aus Holzweiler ehrenamtlich im „Büro für Tagebaubetroffene“ in Erkelenz, einer Anlaufstelle der katholischen Kirche. „Sehr zufrieden und ein bißchen hoffnungsvoll“, sagt Irving, seien die meisten baggerfürchtigen Menschen in den letzten Tagen gewesen, seit sich bei den rot-grünen Verhandlungen ein zeitliches Moratorium als Kompromiß abzeichnet. Nur einer habe geschimpft: „Die Grünen sind umgekippt, alles Betrug, alles Mauschelei.“

Auch Irving selbst sagt, sie könne mit dem festen Glauben leben, daß das Projekt dann mit neuen Energieprognosen, Gutachten oder durch die Verfassungsklagen der Gemeinden ganz gekippt wird. Wenn nur diese Hardliner von der IG Bergbau „zur Vernunft zu bringen wären“. „Warum nur sehen die nicht, daß wir sonst hier alle gemeinsam in die Katastrophe rennen.“ Eine Drittellösung, nach der nur der östlichste Teil von Garzweiler II weggegraben würde, ließe ihr Heimatdorf Holzweiler unversehrt. „Aber wir wollen nicht der Nutznießer sein auf Kosten anderer. Wir haben immer gemeinsam gekämpft.“

Nebenan, in Otzenrath, wo die Umsiedlung schon 1997 losginge, finden sich naturgemäß überhaupt keine Befürworter der Drittellösung. „Dann sind wir hier das Bauernopfer der Grünen“, sagt Buchhändlerin Karin Lange. Alle im Dorf hörten, sagt Lange, gerade in den letzten Tagen Radio ohne Pause. Dauernd rufe jemand an mit neuen Gerüchten aus Bonn: „Immer neue Hoffnung und Enttäuschung bei jedem Wort. Es ist total stressig. Auch die Kinder fragen dauernd: Was ist denn jetzt? Bleiben wir hier? Wir wollen bleiben, und wir wollen jetzt eine klare Entscheidung.“

Auch Karin Lange könnte mit einem Moratorium leben: „Wir knüpfen ja unsere bangen Erwartungen an jeden Faden.“ Ein „Zeitfenster“ hätte zwar „etwas von Hinhaltetaktik“, aber es bleibe ja, und das sei wohl Konsens im Dorf, die Hoffnung auf ein Umdenken in den kommenden Jahren. Sie selbst will mit ihrer privaten Hinhaltetaktik auch Schluß machen – und spricht von Parteiaustritt. Denn Karin Lange ist seit langem SPD-Mitglied. „Bei diesem Kungelhaufen habe ich jetzt endgültig allen Glauben verloren.“ Gerade interpretiert Rheinbraun- Minister Matthiessen im WDR den Garzweiler-Kompromiß: „Der Tagebau wird kommen.“

„Ein Moratorium“, sagt auch Gisela Irving, sei „schon ein Strohhalm“, oder, überlegt sie, „nein, sogar mehr, ein kleiner Balken, auf dem man Halt findet“. Und: „daß mal etwas Ruhe einkehrt, daß man nicht nur noch diese Kohle im Kopf hat“. Bernd Müllender

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