Debbie goes jazzy

■ Seltsame Mischung im KITO: The Jazz Passengers traten mit Debbie Harry auf

Oft saß sie ganz bescheiden neben der Bühne, hörte der Band zu und versuchte sich dabei so unsichtbar wie möglich zu machen. So glanzlos und normal hatte wohl kaum einer der zahlreichen Verehrer aus längst vergangenen Zeiten die damals so provokativ sinnliche Debbie Harry erwartet. In der Reihe vor der Kasse im Supermarkt würde sie kaum auffallen, und die „Jazz Passengers“ zogen auf der Bühne eine viel überdrehtere Show ab als ihr groß angekündigter Stargast.

Das Konzept ist so schlitzohrig, daß man nur den Hut ziehen kann: die „Jazz Passengers“ bekommen durch die Sängerin ein Publikum in ihrer Konzerte, daß sie sonst nie erreichen würden, und die legendäre Frontfrau von „Blondie“ hat hier die Chance, ihren langsam verblaßenden Ruhm nocheinmal ein wenig aufzupolieren. Dieses Konzert war bestimmt kein Meilenstein der Musikgeschichte, aber überraschenderweise gab es auf beiden Seiten keinerlei Peinlichkeiten (vom katastrophalen Sound mal abgesehen), und wenn man sich auf diese sehr schräge Mischung einließ, konnte man gerade an den Brüchen und Widerhaken viel Spaß haben.

Natürlich konnte Debbie Harry musikalisch bei den wilden Fahrten der Band durch die Jazzstile nicht mithalten. Auch daß ihre Stimme alles andere als abwechslungsreich ist, und sie sich bei etwas komplizierteren Arrangements schon mal kräftig versingt, wurde schon nach den ersten beiden Songs des Abends klar. Aber weil sie dies auch gar nicht zu kaschieren versuchte, sich redlich bemühte und überhaupt nicht die Prima Donna spielte, hatte sie alle Sympathien des Publikums auf ihrer Seite.

Zuerst wirkte es so, als wäre die Band musikalisch der Verlierer dieser Allianz, den sie spielte längst nicht so tollkühn wie bei ihren früheren Auftritten, und begnügten sich bei den für Debbie Harry maßgeschneiderten Songs auf eine sehr zurückhaltende Begleitfunktion. Aber dann merkte man, wie sie sich von Song zu Song freispielte, und bei Balladen gerade durch ihren schrägen, angerauhten Ton überraschend emotional klingen konnte.

Debbie Harry und die Band verband ein ähnlicher Sinn für Humor, man merkte, daß sie gerne zusammen auf der Bühne waren, und im zweiten Set, als die „Jazz Passengers“ kaum noch Rücksicht auf die Sängerin nehmen brauchten, sprang der Funke endgültig auch zu Publikum über.

Da glänzte dann Roy Nathanson, der wie ein Graucho Marx wirkte, dem nur eben statt seiner ewigen Zigarre ein Saxophon aus dem Mundwinkel hängt, mit seiner hochkomischen Version von „If I only had a brain“ aus „Wizard of OZ“. Die Band demontierte hundsgemein die schöne Schnulze „If I were a bell!“ und Bassist Bradley Jones und Bill Ware am Vibraphon setzten einige extrem heiße, lateinamerikanische Grooves. Als Zugabe wurde dann der Blondie Hit „The Tide is high“ kräftig durch den Kakao gezogen, und Debbie Harry half dabei kräftig mit, indem sie die Textzeile „I'm not that kind of a girl“ so sang, daß jedem klar wurde, daß sie eben doch zu der Sorte von Mädchen gehörte, der man alles zutrauen kann. Sogar solch einen abenteuerlichen Auftritt.

Willy Taub