Quälende Suche nach dem Ziel

■ „Managern fehlt Entscheidungsfähigkeit“: Systemtechnik-Firma im Technologiepark hilft der Industrie bei kniffeligen Problemen

Probleme lauern überall. In Form von Fehlern können sie in jeden Arbeitsgang, Produktionsprozeß und logistischen Schritt schlüpfen. Für Unternehmen werden diese oft nur kleinen Mängel in der Massenfertigung zu teuren Problemen. Denn je später in der Wertschöpfungskette der Fehler auftaucht, desto teurer und katastrophaler das Ergebnis für Kunden und Hersteller: Kunden sind unzufrieden, daß das neue Auto nicht fährt oder die teure Spezialmaschine nicht funktioniert, Hersteller müssen für Garantieleistungen zahlen, verlieren Zeit und Geld, schlimmstenfalls den unzufriedenen Kunden.

Unternehmer in Japan haben den Zusammenhang von optimalem Prozeß, Produkt und optimaler Kundenzufriedenheit seit langem erkannt und ihre Fertigung entsprechend darauf abgestellt. In Europa beginnt sich die dahinter verbergende Philosophie des Total Quality Managements (TQM) erst langsam durchzusetzen.

Seit 1991 arbeitet auch eine Bremer Firma an der kniffeligen Suche nach Prozeß-Optimierungen mit. Die zündende Idee für das „ATB Institut für angewandte Systemtechnik Bremen“ hatte Wissenschaftssenator Henning Scherf. Zusammen mit Daimler Benz und dem Bremer Vulkan als Hauptanteilseignern und gründete er die gemeinnützige GmbH. „Der Anfang war hart“, sagt Uwe Kirchhoff, Geschäftsführer der ATB. Die Rezession rollte gerade heran. Kein Manager in der Groß- oder mittelständischen Industrie wagte Anfang der neunziger Jahre neue Wege zu beschreiten. „Dem deutschen Management fehlt doch auch die Fachkompetenz und Entscheidungsfähigkeit“, meint Kirchhoff. Berufseinsteiger wollten schnell Karriere machen, huschten durch jede Abteilung und hätten dann an der Spitze des Unternehmens nur wenig Ahnung von den untergeordneten Abteilungen, trauten sich keine Entscheidungen zu. Für Kirchhoff ist dies auch ein gesellschaftliches Problem: „Fehler werden hier personifiziert – wenn man keine Entscheidungen fällt, kann man auch keine Fehler machen“.

Die Industrie delegiert ihre Probleme und Entscheidungen daher gern an Beratungsfirmen wie ATB. An Aufträgen mangelt es dem aus der Raumfahrtforschung kommenden Kirchhoff und seinen 35 festen und freien MitarbeiterInnen nicht. Allein in diesem Jahr hat ATB vier neue KollegInnen aus der System-, Meß- und Regeltechnik eingestellt.

Ob die Verantwortlichen der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) sich nicht entscheiden konnten, ist unklar. Fest steht, daß sie für einen neuen Unternehmensbereich eine optimale Lösung brauchten und von der ATB bekamen. Seit Januar 1994 verpackt und verlädt die BLG Mercedes Benz-Bausätze für die Daimler Benz. Von der Antriebswelle bis zum Zylinderkopf und dem Mercedes-Stern werden die Autos nach Fernost oder Südamerika geschifft und dort zusammengebaut. Der Hersteller spart durch diese Completely-knocked-down-Methode Geld.

Aber nur, wenn auch alle richtigen Teile bei den Zusammensetzern ankommen. Bei den ersten Bausätzen waren des öfteren linke statt rechte Lenkradwellen. Ein kleines Detail, daß Daimler teuer zu stehen kam. Die ATB-Systemtechniker durchleuchteten das Lager von Daimler und der BLG, sprachen mit den Mitarbeitern und suchten nach dem Grund des Fehlers. Ein Zahlendreher auf den produzierten Teilen war die Ursache. In dieser Woche konnte die BLG dank der von ATB erarbeiteten Lösung den 25.000sten Mercedes-Satz fehlerfrei verpacken.

Bei der BLG war die Problemlösung relativ einfach, da Kirchhoff und seine Mitarbeiter das Ziel kannten. „Viele Manager definieren die Lösung als Ziel“, sagt Kirchhoff. Wenn Unternehmer ihm mit glühenden Augen erzählen, weiter automatisieren zu wollen, aber nicht wissen, was sie damit erreichen wollen. Dabei gehe es doch bei allen Prozeßlösungen darum, Zeit und Geld zu sparen.

Die EU hat ATB auserkoren, für ein europaweites Projekt die norddeutsche Führung zu übernehmen. Die Industrie knabbert in ganz Europa seit rund zwei Jahren an einer Zertifizierungsvorschrift herum. Nach der ISO 9000-Vorschrift müssen Produkte während ihres Entstehungsprozesses qualitativ überprüft werden. Die Automobilindustrie hatte sich diese Instrument ursprünglich ausgedacht, um einen gewissen Standard zu erreichen und Preise drücken zu können. Zulieferer, die ISO 9000 nicht einführten, fielen dem Konkurrenzkampf zum Opfer.

Inzwischen gibt es kaum eine Branche, die ohne die Norm auskommt. In enormen Handbüchern ist das Regelwerk verankert. Mittelständische Unternehmen sind damit oft überfordert. Von der EU bezahlt, schult ATB daher die Mittelständler, hilft ihnen innovativ und damit konkurrenzfähig zu sein. Kirchhoff, sonst durchaus kritisch gegenüber der Weiterbildung, ist damit zufrieden: „Wir müssen ein neues Innovationsklima schaffen“.

ufo