Das intelligente Wohnklo

■ Kleinstwohnungen fordern schlaue Lösungen / Die Architektengruppe BAR hat das Durchgangsbad entwickelt / Sanierungsnormen sind mittlerweile untauglich

Was hat die Zubereitung einer italienischen Salatsoße mit der Innenarchitektur einer kleinen Wohnung in Prenzlauer Berg gemein? Den Mitarbeitern der Architektengruppe „Bauen und Raumwirtschaft“ (BAR) liegt die Antwort auf der Zunge. Die Architekten von BAR sehen in der Grundfläche einer Wohnung so etwas wie eine Salatschüsel: Das Wohnen muß so gestaltet sein, daß es nach den jeweiligen Bedürfnissen der Bewohner abgeschmeckt werden kann und veränderbar bleibt.

Der Phantasie scheinen enge Grenzen gesetzt zu sein, denn zwangsläufig gingen die drei Absolventen der Hochschule der Künste und der Architectural Association in London von sehr kleinen Salatschüsseln aus. „Wir haben alle irgendwann in kleinen Wohnungen im Seitenflügel gewohnt“, erzählt Jürgen Patzak- Poor, Architekt und Schreiner bei BAR. „Bei unseren Wohnideen gehen wir von Situationen aus und wollen kein Weltbild vermitteln, wie viele andere Architekturschulen. In kleinen Wohnungen scheint es da wenig Möglichkeiten zu geben, aber das stimmt nicht.“

Die bislang erfolgreichste Idee der dreiköpfigen Gruppe, die sich 1992 in Prenzlauer Berg gegründet hat, ist das Durchgangsbad. Ursprünglich für einen Design-Wettbewerb „Baden auf kleinem Raum“ entwickelt, ist es inzwischen als Gebrauchsmuster beim Patentamt angemeldet. Der Grundgedanke ist denkbar einfach. Man kennt diese Wohnungen: Eingang, Flur, rechts das Bad ohne Fenster und hinten das einzige Zimmer. Und vom Zimmer dann noch eine Tür zur Miniküche mit Blick auf den Hinterhof. Die BAR-Architekten haben ihre Wohnung in Prenzlauer Berg umgebaut: Das Bad hat auch noch eine Tür zur Küche – ein Durchgangsbad eben. Die Türen im Bad verschließen entweder nur den Toilettenraum, die Dusche oder das ganze Bad nach außen. Oft bleibt sogar Platz für eine Badewanne. Das Bad bekommt Licht und Luft, und nicht jeder Weg in die Küche führt durch das Wohnzimmer. Unter der Decke im Flur des Bades baumelt die nasse Wäsche. So existiert das Bad nur für die Zeit, die man tatsächlich dort verbringt. „Ich glaube, man kann kein ökonomischeres Bad bauen“, sagt Jürgen Patzak-Poor, „denn eigentlich ist das ein Flur.“

Kleinstlösungen in Miniwohnungen werden auch in Zukunft weiter gefragt sein. Für Peter Beck von der Gesellschaft für Stadterneuerung (S.T.E.R.N.) in Prenzlauer Berg ist klar, daß es nach wie vor „zwingend bleibt, sich um vereinfachte Standards zu bemühen“. So haben im Sanierungsgebiet Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg 47 Prozent der Wohnungen kein Badezimmer. Obwohl verschiedene Berliner Architektur- professoren keine Diskussion um Minimallösungen zu sehen glauben, weil die theoretische Vorarbeit bereits vollständig geleistet sei, ist für S.T.E.R.N.-Mitarbeiter Beck klar: Die Zukunft gehört den schlauen Lösungen. Der Trend, so Beck, gehe in Richtung Single- oder Zweipersonenhaushalt. Sinkendes verfügbares Haushaltseinkommen, knapper Wohnraum und knappe öffentliche Mittel für Sanierungszwecke tun ihr übriges – Wohnklos werden auf absehbare Zeit nicht leerstehen. Wie die Sanierung durchzuführen ist, steht auf einem anderen Blatt, denn: „Die VDI, VDE und DIN-Normen stammen aus der Luxus-Zeit. Heute muß man davon ein wenig Abstand nehmen“, sagt Beck. Seit einigen Monaten beschäftigt sich auch die S.T.E.R.N.-Gesellschaft wieder verstärkt mit minimalistischen Lösungen für Naßzellen, die denoch „einen zeitgemäßen hygienischen Standard gewährleisten sollen“.

Als Minimalisten mit Hang zum Supereffizienten sehen sich die jungen Architekten von BAR jedoch nicht. „Unser Denken hört nicht beim Abstellen einer Duschmaschine auf“, so Patzak-Poor. Die Bauhaus-Architektur mit ihren Kleinstwohnungen zum Beispiel ist nicht ihre Sache, denn das führe zu „formal eingefrorenen Ergebnissen“. Bestimmender ist der Gedanke des „Wohngewebes“: Die Architektur soll das Leben in ihr nicht dominieren und strukturieren, sondern sich nach den Bewegungen und Bedürfnissen der Menschen richten können. Der soziale Prozeß ist wichtiger als der gebaute.

Die Architekten spielen auch mit anderen Ideen: Da gibt es ein Winterfenster für die kalten Tage bei Einfachverglasung, eine Fischerhütte und ein Bootshaus mit Badesteg in Schottland. Neuestes Projekt: der Umbau eines Schlosses. Bis sich die drei ein eigenes Schloß leisten können, verschieben sie die selbstgebauten Rollregale und klappen die Arbeitstische hoch, wenn sie Platz brauchen. Christoph Dowe